Im Anschluss an unseren letzten Beitrag zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und praktischen Möglichkeiten des Herdenschutzes zeigt sich klar, wo das eigentliche Problem liegt: Die Politik in Österreich – auf Bundes- wie vor allem auf Landesebene – fördert Herdenschutz nicht ernsthaft. Stattdessen wird seit Jahren behauptet, er sei in alpinen Regionen nicht umsetzbar, obwohl zahlreiche Praxisbeispiele, etwa aus Tirol, das Gegenteil beweisen. Dort werden Elektrozäune, mobile Nachtpferche, Herdenschutzhunde und abgestimmtes Weidemanagement erfolgreich eingesetzt – mit nachweislich reduzierten Übergriffen.
Anstatt flächendeckend in funktionierende Maßnahmen zu investieren, Beratungs- und Unterstützungsstrukturen aufzubauen und diese unbürokratisch zu finanzieren, setzen Bund und Länder nahezu ausschließlich auf den Abschuss als Standardreaktion. Das Alm-/Weideschutzgesetz verschiebt die Verantwortung vom Staat auf die Tierhalter:innen – eine Entwicklung, vor der Fachleute seit Jahren gewarnt haben. Die politischen Rahmenbedingungen führen dazu, dass gerade in jenen Gebieten, in denen ein erhöhter Schutzbedarf besteht, Herdenschutz offiziell als „nicht zumutbar“ erklärt wird.
Das wird im Schreiben aus Salzburg deutlich:
„Herdenschutz wird … anerkannt … Allerdings müssen Herdenschutzmaßnahmen immer unter den Aspekten der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit beurteilt werden.“ Gleichzeitig habe man „Gebiete ausgewiesen, in welchen Herdenschutzmaßnahmen … nicht zumutbar, nicht geeignet oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand … verbunden sind.“ Für den betroffenen Betrieb bedeutete das: „Der betroffene Tierhalter … hat … die noch verbliebenen Schafe vorzeitig von der Alm abzutreiben. Ob künftig … wieder eine Beweidung … erfolgt, ist … eher unwahrscheinlich.“
Damit ist genau das eingetreten, wovor gewarnt wurde: Ohne konsequente, flächendeckende Unterstützung für Präventionsmaßnahmen bleiben den Betrieben nur zwei Optionen – rechtliche Konsequenzen riskieren oder ihre Tiere vorzeitig abtreiben. Das Ergebnis sind leere Almen, der Verlust traditioneller Bewirtschaftung, sinkende Biodiversität und der Rückzug aus einer jahrhundertealten Kulturlandschaft.
Dabei sind funktionierende Herdenschutzmaßnahmen längst bekannt und praxiserprobt:
- Elektrozäune mit mindestens 1,20 m Höhe, 6.000–8.000 Volt und 5–6 Joule Schlagenergie
- Mobile Nachtpferche und flexible Weideeinzäunungen
- Herdenschutzhunde in Kombination mit gezieltem Weidemanagement
- Praxisbegleitung durch spezialisierte Beratung, wie sie etwa das EU-Projekt LIFEstockProtect bietet
Diese Instrumente funktionieren – wenn sie politisch gewollt, ausreichend finanziert und praktisch begleitet werden. Solange die Politik jedoch Verantwortung abwälzt und fast ausschließlich auf Abschuss setzt, werden wir weitere leere Almen sehen. Wer die Kulturlandschaft und die Almwirtschaft erhalten will, muss endlich konsequent in Prävention investieren.
Weiterführende Informationen zu Herdenschutzmaßnahmen:
- Tiroler Herdenschutzempfehlungen: tirol.gv.at/herdenschutz
- Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs – Herdenschutz: zentrum-bear-wolf-luchs.at/herdenschutz
- EU-Projekt LIFEstockProtect: lifestockprotect.info