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In Italien sterben fast 90 Prozent der Wölfe durch den Menschen

  • 3 Min. Lesezeit

Neue Studien zeigen das Ausmaß menschlicher Einflüsse – von Verkehrsunfällen bis Giftstoffen

In Italien sind Wölfe zwar streng geschützt, doch sie sterben in großer Mehrheit nicht an natürlichen Ursachen. Zwei umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen zeichnen ein eindeutiges Bild: Rund 90 Prozent der tot aufgefundenen Wölfe verenden durch direkte oder indirekte menschliche Einwirkungen.

Das zeigt eine von ISPRA koordinierte Langzeitstudie, die zusammen mit den Universitäten Bologna und Sassari, dem WWF und dem Istituto Zooprofilattico della Lombardia e dell’Emilia-Romagna durchgeführt wurde. Die Forschenden analysierten 212 Wolfskadaver, die zwischen 2005 und 2021 gesammelt wurden – und fanden vor allem Spuren menschlicher Gewalt und Infrastruktur.

Verkehr, Schusswaffen, Misshandlungen: ein ernüchternder Befund

Die im Fachjournal Global Ecology and Conservation veröffentlichte Studie kommt zu dem klaren Ergebnis:

Nur etwa jeder zehnte Wolf starb eines natürlichen Todes.

Fast die Hälfte der Tiere (49 %) kam bei Zusammenstößen mit Fahrzeugen ums Leben. Weitere große Anteile betrafen Vergiftungen, illegale Abschüsse oder Misshandlungen. In zwei Fällen dokumentierte das Team sogar gezielte Erhängungen.

Der Genetiker Romolo Caniglia, Hauptautor der Studie, spricht von einem „deutlichen Spiegel des anhaltenden Konflikts zwischen Mensch und Wolf“. In einigen Regionen würden Wölfe weiterhin als Bedrohung wahrgenommen – wirtschaftlich, symbolisch oder kulturell.

Genetische Analysen: Mehrheit „rein“, aber Hybridisierung vorhanden

Die Untersuchung erfasste auch den genetischen Zustand der italienischen Wolfspopulation. Das Ergebnis:

  • 75 % der untersuchten Tiere waren genetisch „rein“,
  • 9 % stammten aus jüngerer Wolf-Hund-Hybridisierung,
  • 16 % wiesen ältere Spuren von Einkreuzungen auf.

Auch diese Daten zeigen, dass der Mensch – direkt oder indirekt – Einfluss auf Italien Wölfe nimmt. Hybridisierung entsteht häufig dort, wo verwilderte oder frei laufende Hunde nicht kontrolliert werden.

Zweite Studie: Giftstoffe als unsichtbare Gefahr

Ein weiteres Forschungsteam, erneut unter Caniglias Leitung, veröffentlichte 2024 in Science of the Total Environmenteine ergänzende Analyse. Sie untersuchte 186 Wolfskadaver aus der Lombardei und Emilia-Romagna, gesammelt zwischen 2018 und 2022.

Die zentrale Erkenntnis: 62 Prozent der Wölfe hatten Spuren von Rodentiziden im Gewebe – Giften, die eigentlich gegen Ratten und Nutria eingesetzt werden. Das bedeutet: Viele Tiere, die als Verkehrsopfer galten, waren vermutlich bereits geschwächt oder vergiftet, bevor sie auf die Straße liefen.

Rodentizide gelangen über vergiftete Beutetiere – etwa Ratten oder Nutria – in die Nahrungskette. „Der Wolf frisst keine Köder“, betont Caniglia, „aber er frisst die Tiere, die sie gefressen haben.“ Dadurch wandern die Gifte entlang der gesamten Nahrungskette und treffen am Ende auch Spitzenprädatoren, die die Stabilität des Ökosystems sichern.

Folgen für das gesamte Ökosystem

Die Forschenden warnen, dass die toxische Belastung nicht nur Wölfe betrifft. Auch andere Carnivoren – etwa der scheue und selten nachweisbare Wildkatze – könnten ähnliche Risiken tragen. Systematische Daten fehlen jedoch, weil nur wenige Kadaver dieser Arten gefunden werden.

Die Kombination aus Verkehr, illegalen Tötungen und Umweltgiften zeigt ein Muster, das über den Wolf hinausgeht: Menschliche Aktivitäten bestimmen zunehmend die Überlebenschancen großer Beutegreifer in Italien.

Caniglia fasst es so zusammen:

„Diese Stoffe und Einwirkungen wirken weit über die einzelnen Tiere hinaus. Sie beeinflussen das gesamte ökologische Gleichgewicht. Ihre Reduktion ist Voraussetzung dafür, dass Koexistenz zwischen Mensch und Wildtieren möglich bleibt.“

Quellen

  • ISPRA, Università di Bologna, Università di Sassari, WWF Italia, Istituto Zooprofilattico Lombardia–Emilia Romagna: Studie zu 212 Wolfskadavern (2005–2021), veröffentlicht in Global Ecology and Conservation (2021).
  • Caniglia et al.: Analyse zu Rodentizidbelastungen bei 186 Wölfen in der Lombardei und Emilia-Romagna, veröffentlicht in Science of the Total Environment (2024).

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