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Kommentar: Der Wolf als Sündenbock – und die wahren Verlierer dieser Politik

  • 4 Min. Lesezeit

Die Debatte über den Wolf in Mitteleuropa wird fast überall mit dem Schutz der sogenannten Nutztiere begründet. Doch wer die Fakten kennt, weiß: Diese Begründung trägt längst nicht mehr. Italien, Deutschland und Österreich liefern drei völlig unterschiedliche Realitäten – aber eine gemeinsame politische Strategie. Der Wolf wird zum Feindbild stilisiert, weil er sich dafür eignet. Nicht, weil er eine reale Bedrohung wäre.

Italien: Die meisten Wölfe sterben durch uns – nicht durch die Natur

Die italienischen Daten sind unmissverständlich: Rund 90 Prozent aller toten Wölfe sterben durch den Menschen. Durch Autos, illegale Tötungen, Vergiftungen, Misshandlungen.

Und viele der „Unfälle“ wären ohne vorherige Vergiftung mit Rodentiziden nie passiert – über 60 Prozent der untersuchten Tiere trugen diese Gifte im Körper. Das ist keine Koexistenz. Das ist ein Warnsignal. Über 60 Prozent der Tiere tragen Rodentizide im Körper – Gifte, die wir großzügig in Gärten, Schuppen und Feldern auslegen, und die dann an der Spitze der Nahrungskette landen. Man kann das Schicksal nennen. Oder man nennt es, wie es ist: Wir sind das größte Risiko für den Wolf.

Deutschland: Wenn Fakten politisch unerwünscht sind

Dann Deutschland: Kein flächendeckender Abschuss, (noch) kein Jagdrecht für den Wolf, kein „Durchgreifen“. Und was passiert? Weniger Nutztierrisse, weil man Herdenschutz fördert: Schutz reduziert Schäden – nicht Kugeln.

Doch diese Erkenntnis ist politisch unhandlich. Also wird an den Daten gezweifelt. Und weil das nicht reicht, wird sogar am Art-17-Bericht herumgeschraubt – damit er der jagdpolitischen Erzählung ja nicht widerspricht. Statt sich über sinkende Schäden zu freuen, wird die Statistik selbst zum Feind erklärt. Das ist nicht Naturschutz. Das ist politische Instrumentalisierung.

Österreich: Wenn die Zahlen unangenehm werden, schweigt man

Und Österreich?

  • Mehr Abschüsse, mehr Risikoverordnungen, mehr Härte.
  • Parallel: Steiermark stoppt Herdenschutzförderungen „aus Budgetgründen“.

Und das vielleicht deutlichste Signal:: Österreich hat seinen Art-17-Bericht zum Wolf bis heute nicht abgegeben.

Warum? Weil der Bericht schwarz auf weiß dokumentieren würde, dass der Wolf hier nicht im günstigen Erhaltungszustand ist – sondern gefährdet. Und gefährdete Arten darf man nicht abschießen. Also verschiebt man, taktiert, schweigt. Ein Land, das Entnahmen politisch feiert, vermeidet gleichzeitig die Daten, die zeigen würden, wie schlecht es um die Art steht.

Der wahre Skandal: Wer heute laut nach Jagd ruft, wird morgen die Rechnung zahlen

Während Politiker die „Bedrohung“ Wolf beschwören, merken viele Nutztierhalter gar nicht, wie sie selbst zum Spielball werden. Denn die Fakten sind brutal klar: Nutztierrisse sinken dort, wo Herdenschutz finanziert wird – nicht dort, wo geschossen wird.

Wenn Herdenschutz gestrichen und gleichzeitig Wölfe zur Jagd freigegeben werden, trifft das am Ende nicht die Wölfe, sondern die Halter. Sie bleiben auf Schäden sitzen, auf Kosten, auf Unsicherheiten. Und das alles, weil Politik lieber schießt als investiert. Noch bitterer ist, wie sehr Behörden unter politischem Druck einknicken.

Das Rechtsgutachten von Dr. Wessely zeigt: Schon heute wenden manche Ämter das Tierschutzgesetz nicht mehr konsequent an – aus Angst vor der Landespolitik. Das ist kein Wolfsproblem: Das ist ein Staatsversagen.

Die eigentliche Frage

Es geht nicht um Rotkäppchen. Es geht auch nicht um den Wolf. Es geht darum, wie eine Gesellschaft mit Natur, mit Fakten, mit Verantwortung umgeht. Und ob wir bereit sind, unbequeme Wahrheiten auszuhalten. Was im Moment geschieht, ist kein Konflikt zwischen Wolf und Mensch. Es ist ein Konflikt zwischen Realität und politischer Erzählung. Es reicht nicht mehr, an der Statistik zu zweifeln – inzwischen wird sogar am Art-17-Bericht herumgedoktert, weil seine Inhalte der jagdpolitischen Erzählung widersprechen würden. Wissenschaftliche Realität soll an ein politisches Narrativ angepasst werden. Das ist nicht Konfliktlösung, das ist Manipulation.

Die Nutztierhalter sind die wahren Verlierer dieser Politik

Die Weidetiere, um die sich angeblich alles dreht, stehen dabei am Ende selbst ohne Schutz da. Denn Risse sinken durch Herdenschutz, nicht durch Jagd, nicht durch Gift, nicht durch politische Inszenierung.

Das Tragische ist: Viele der heutigen Entscheidungsträger werden längst in Pension sein – mit hohen Funktionsgehältern –, wenn die nächste Generation mit den Folgen dieser Politik konfrontiert sein wird.

Der Wolf ist nicht gefährlich. Gefährlich ist eine Politik, die die Natur bekämpft, statt sie zu verstehen, und die dabei nicht merkt, dass sie ihre eigenen Landwirte zu Verlierern macht.

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