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Kommentar: Rechtsstaat statt Willkür – das Tierschutzgesetz gilt auch am Berg

  • 3 Min. Lesezeit

Ausgangspunkt ist ein Beitrag vom 20. August 2025, in dem ein zuständiges Mitglied der Landesregierung – zugleich Landeshauptmann-Stellvertreter und Bauernbundobmann – zivilgesellschaftliche Akteure pauschal attackiert und ihnen vorwirft, mit Anzeigen die Almwirtschaft zu gefährden. Das Problem ist nicht der Streit um Herdenschutz im Detail, sondern das Signal: Statt Verfahren zu verbessern und Recht anzuwenden, werden Justiz, Behörden und engagierte Bürger diskreditiert. So entsteht kein Schutz, sondern Willkür.

Zur Einordnung gehört eine schlichte Wahrheit: Tierschutzorganisationen „machen“ kein Recht, sie vollziehen es. Anzeigen, Prüfungen, Bescheide und Urteile sind keine Eskalation, sondern der normale Weg eines Rechtsstaates, Sachverhalte zu klären. Und: Das Tierschutzgesetz ist lange vor der aktuellen Wolfsdebatte beschlossen worden – nicht als ideologisches Manöver, sondern als Schutzschirm für landwirtschaftlich genutzte Tiere. Es soll verhindern, dass Tiere unnötig leiden. Dass dieses Gesetz plötzlich „unbequem“ ist, ändert nichts an seiner Geltung. Wer jetzt – implizit oder ausdrücklich – seine Entkernung oder Abschaffung nahelegt, schüttet das sprichwörtliche Kind mit dem Badewasser aus: Man beseitigt den Schutz für Millionen sogenannte Nutztiere, um einem Konflikt mit einem Wildtier auszuweichen. Das ist unverhältnismäßig, sachlich falsch und demokratieschädlich.

Wenn Amtstierärzt:innen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaften oder Bäuerinnen und Bauern in einen politischen Schlagabtausch hineingezogen und öffentlich abgewertet werden, sinkt die Akzeptanz für Entscheidungen – auf allen Seiten. Statt Klarheit zu schaffen, bleibt Misstrauen: gegen Politik, gegen Behörden, und am Ende auch gegen die Landwirtschaft, die ohnehin um gesellschaftliche Unterstützung ringt. Politik hat einen Eid auf die Gesetze geleistet, nicht auf die nächste Schlagzeile. Sie ist verpflichtet, Interessen auszugleichen und Rechtsfrieden herzustellen, nicht Lager zu bedienen.

Das beginnt bei der Sprache, setzt sich in Verfahren fort und endet bei den Ressourcen. Abschussverordnungen und Rissdatenbanken sind Rechtsinstrumente und amtliche Informationsquellen – für jeden ist damit die Gefahrenlage dokumentiert. Wer sie ernst nimmt, informiert Tierhalter rechtzeitig, legt Kriterien offen, begründet Auflagen und trifft tragfähige Einzelfallentscheidungen. Wer stattdessen die Justiz und Gesetze zum Gegner erklärt und Kritiker pauschal abqualifiziert, beschädigt genau die Institutionen, die Konflikte ordnen sollen.

Die Lösung liegt nicht im Wegreden des Problems, sondern im konsequenten Ermöglichen dessen, was das Gesetz verlangt: Schutz, wo Schutz möglich ist. Das Mittel dazu ist banal und überfällig: Herdenschutz wird ab sofort zu 100 % finanziert – Planung, Material, Behirtung, Herdenschutzhunde, Notfall-Teams; dazu klare Dokumentation und Beratung vor Ort. Entschädigungen werden an nachweisliche Prävention geknüpft, damit jene, die Verantwortung übernehmen, nicht die Dummen sind. So schützt man Tiere, stabilisiert Betriebe und entlastet Behörden. Vor allem aber beendet man die künstliche Gegenüberstellung von „Tierschutz“ und „Landwirtschaft“, die sachlich nie nötig war.

Wer Verantwortung trägt, stärkt den Rechtsstaat, statt ihn zu relativieren, akzeptiert, dass Gesetze nicht gut sind, weilsie nützen, sondern nützen, weil sie gut gemacht, korrekt angewandt und überprüfbar sind. Wer ihre Geltung von der eigenen Opportunität abhängig macht, ersetzt Recht durch Willkür – und treibt die Spaltung weiter voran. Gerade deshalb braucht es jetzt eine Staatsräson: Verfahren verbessern, Ressourcen bereitstellen, Sprache beruhigen und Lösungen umsetzen. Alles andere kostet Vertrauen – und das ist die knappste Ressource, die wir haben.

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