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Wolfsjagd ohne Wirkung? Eine Analyse aus der Slowakei

  • 4 Min. Lesezeit

Zwischen 2014 und 2019 setzte die Slowakei auf einen Mittelweg im Wolfsmanagement: vollständiger Schutz war politisch umstritten, vollständige Freigabe keine Option – also entschied man sich für eine regulierte öffentliche Jagd mit jährlichen Quoten. Damit verband sich eine klare Erwartung: Weniger Wölfe sollten zu weniger Nutztierrissen führen. Eine internationale Forschungsgruppe hat nun untersucht, ob dieser Ansatz den erhofften Effekt hatte. Ausgangslage, Daten und Ergebnisse wurden über sechs Jagdwintersaisonen hinweg ausgewertet. Die zentrale Frage lautete, ob die Zahl erlegter Wölfe in einem Bezirk mit der Entwicklung der gemeldeten Schäden im darauffolgenden Jahr zusammenhing.

Trotz der konstanten Rahmenbedingungen – das Jagdfenster blieb jährlich gleich, ebenso das Prinzip der Quoten – zeigte sich kein solcher Zusammenhang. Auch alternative Modellrechnungen, die zeitlich verzögerte Reaktionen berücksichtigten, änderten daran nichts: Bezirke mit höheren Abschusszahlen verzeichneten keine geringeren Schadensmeldungen. Genau dieses Modell einer quota-basierten öffentlichen Wolfsjagd steht derzeit auch in Österreich und Deutschland zur Diskussion – was die Ergebnisse der slowakischen Untersuchung für die aktuelle Debatte besonders relevant macht.

Ökologische Faktoren prägen das Konfliktgeschehen

Parallel dazu prüften die Forscher:innen, welche Rolle der Bestand an natürlichen Beutetieren spielte. Hier ergab sich ein deutliches Bild: In Bezirken mit reichlich Wildhuftieren traten weniger Nutztierrisse auf. Dieser Befund stimmt mit zahlreichen internationalen Arbeiten überein, die darauf hinweisen, dass die Verfügbarkeit natürlicher Beute einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten von Wölfen und damit auf das Konfliktgeschehen hat.

Ergänzend analysierte das Team Ernährungsdaten aus sieben Bezirken und fand, dass knapp 99 Prozent der aufgenommenen Biomasse aus Wildtieren stammten, während der Anteil von Schafen verschwindend gering war. Dennoch entfielen die meisten Schadensmeldungen auf Schafe – ein Hinweis darauf, dass Nutztiere zwar nicht bevorzugte Beute sind, aber ohne Schutzmaßnahmen vergleichsweise leicht erreichbar bleiben.

Einordnung der häufig gestellten Frage nach der Wirksamkeit von Abschüssen

Die Studie trifft keine allgemeine Aussage darüber, ob Wolfsentnahmen grundsätzlich wirksam oder unwirksam sind. Sie bewertet ausschließlich das slowakische Modell einer quota-basierten öffentlichen Jagd und kommt zu dem Ergebnis, dass für dieses Modell kein schadenmindernder Effekt nachweisbar war. Die Autor:innen betonen, dass Managementmaßnahmen stets im konkreten ökologischen und sozialen Kontext bewertet werden müssen und dass die bloße Reduktion der Wolfspopulation nicht automatisch zu einer Verringerung von Konflikten führt. Gerade vor diesem Hintergrund wird die Studie auch in Österreich und Deutschland aufmerksam verfolgt, wo politische Entscheidungsträger aktuell prüfen, ob vergleichbare Modelle eingeführt oder ausgeweitet werden sollen.

Erfolg von nicht-letalen Maßnahmen gut dokumentiert

Gleichzeitig weisen die Autor:innen darauf hin, dass international nicht-letale Maßnahmen wie wirkungsvolle Elektrozäune, Herdenschutzhunde oder angepasste Behirtung in vielen Regionen gut dokumentierte Präventionserfolge erzielen. Ihre Empfehlung lautet daher, eine Wiederaufnahme der öffentlichen Wolfsjagd nicht mit dem Argument der Schadensverringerung zu begründen, solange entsprechende Effekte empirisch nicht belegt sind. Dies entspricht auch dem Trend in mehreren europäischen Ländern, die zunehmend auf Prävention, Monitoring und Beratung setzen. Für die Slowakei selbst hat diese Entwicklung bereits praktische Konsequenzen: Seit 2021 ist der Wolf ganzjährig geschützt, und der Schwerpunkt der Behörden liegt seither stärker auf Herdenschutz und regionaler Unterstützung der Weidewirtschaft.

Zentrale Aussagen der Studie – kompakt

  • Die analysierten Abschüsse zwischen 2014 und 2019 reduzierten die gemeldeten Nutztierrisse nicht nachweisbar.
  • Ein hoher Bestand an natürlichen Beutetieren ging systematisch mit weniger Konflikten einher.
  • Wolfsnahrungsanalysen zeigen einen klaren Fokus auf Wildtiere; Nutztiere werden primär bei fehlenden Schutzmaßnahmen betroffen.
  • Für das untersuchte Modell der öffentlichen Wolfsjagd besteht keine Evidenz, dass es zur Schadensverringerung beiträgt.
  • Internationale Erfahrungen belegen, dass nicht-letale Schutzmaßnahmen häufig zuverlässigere Präventionserfolge liefern.
  • Die slowakische Verwaltung hat das Management entsprechend angepasst und setzt seit 2021 auf vollständigen Schutz und verstärkten Herdenschutz.
  • Die Ergebnisse besitzen hohe Relevanz für die aktuellen Diskussionen in Österreich und Deutschland, die ähnliche Jagdmodelle prüfen.

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