Österreich hinkt beim Naturschutz hinterher – massive Lücken bei Umsetzung, Monitoring und Herdenschutz
Die Europäische Kommission hat in ihrem aktuellen Länderbericht zur Umsetzung der FFH- und Vogelschutzrichtlinien Österreich ein ernüchterndes Zeugnis ausgestellt. Zwar wurde das Natura-2000-Netz zuletzt ausgebaut, doch grundlegende Verpflichtungen aus dem EU-Recht werden weiterhin nicht erfüllt. Die Defizite ziehen sich durch alle Ebenen – von der Definition verbindlicher Schutzziele über das Management der Schutzgebiete bis hin zum Monitoring geschützter Arten und Lebensräume.
Schutzgebiete nur auf dem Papier
Zwar hat Österreich neue Natura-2000-Gebiete nachgemeldet, diese sind jedoch meist klein, ökologisch isoliert und kaum wirksam in ein umfassendes Schutzsystem eingebunden. In vielen Gebieten fehlen bis heute klar definierte und verbindliche Erhaltungsziele – das eigentliche Fundament für konkreten Schutz. Managementpläne existieren oft gar nicht oder bleiben unverbindlich. Es gibt keine einheitlichen Standards, keine nationale Steuerung und keine Transparenz. Die Verantwortung wird zwischen Bund und Ländern hin- und hergeschoben, was die Kommission ausdrücklich kritisiert. Ein Vertragsverletzungsverfahren läuft bereits.
Großraubtiere und Herdenschutz: Österreich fällt zurück
Das einzige Land mit erneut ausgestorbenem Großraubtier
Ein besonders alarmierender Befund betrifft den Umgang mit großen Beutegreifern. Österreich ist laut Bericht das einzige EU-Land, in dem ein nach dem EU-Beitritt wieder angesiedeltes Großraubtier – der Braunbär – wieder verschwunden ist. Auch beim Luchs ist die Lage besorgniserregend: Wiederansiedlungsversuche scheiterten, mutmaßlich wegen illegaler Abschüsse, ohne dass eine konsequente strafrechtliche Verfolgung erkennbar wäre.
Beim Wolf ist die Situation diffus: Die Art kehrt zurück, doch es fehlt bis heute ein österreichweiter Managementplan. Die Reaktionen der Bundesländer sind unkoordiniert – mal defensiv, mal aggressiv, aber selten sachlich fundiert. Ausgleichszahlungen, Prävention und Öffentlichkeitsarbeit sind lückenhaft oder nicht vorhanden. Illegale Abschüsse werden nicht systematisch verfolgt.
Herdenschutz wird vernachlässigt oder bekämpft
Besonders kritisch sieht die Kommission den mangelhaften und teilweise ideologisch geführten Umgang mit Herdenschutz. Obwohl Herdenschutzhunde und Zäune als zentrale Maßnahme zur Koexistenz gelten, werden sie in Österreich oft als „unzumutbar“ abgelehnt – nicht selten mit populistischen oder unwissenschaftlichen Argumenten.
Erfolgreiche Beispiele aus Nachbarländern wie Italien oder Frankreich werden ignoriert. Statt gezielter Schulung, Förderung und Unterstützung für Tierhalter gibt es vage Empfehlungen und komplizierte Antragswege. Der Bericht fordert klar: Österreich muss endlich Herdenschutz als Standardmaßnahme anerkennen und landesweit umsetzen.
Fazit
Der EU-Bericht spricht eine deutliche Sprache: Österreich bleibt beim Naturschutz weit hinter den Anforderungen zurück. Insbesondere im Umgang mit großen Beutegreifern fehlt es an Konsequenz, Struktur und politischem Willen. Ohne tiefgreifende Reformen drohen nicht nur Vertragsverletzungsverfahren – sondern auch ein weiteres Ausbluten der biologischen Vielfalt.