Zum Inhalt springen
Home » Blog » Ein Konflikt um Europas Wölfe

Ein Konflikt um Europas Wölfe

  • 3 Min. Lesezeit

Im italienischen Nationalpark der Abruzzen, Latium und Molise erleben Besucher heute wieder frei lebende Wölfe – ein Symbol für die Rückkehr dieser einst beinahe ausgerotteten Tierart. Doch während viele Naturschützer die Wiederkehr des Wolfs begrüßen, wächst andernorts der Widerstand. Zwei berührende Geschichten spiegeln den europäischen Streit: Eine alte Stute in Deutschland fiel einem Wolf zum Opfer, ebenso ein geliebter Hund in Italien. Ihre Besitzer reagierten gegensätzlich – mit Forderung nach Abschuss auf der einen, mit Aufruf zur Koexistenz auf der anderen Seite.

⚖️ Schutzstatus des Wolfs wird gelockert

Nach jahrzehntelangen Investitionen in den Schutz der Art hat das Europäische Parlament im Mai beschlossen, den rechtlichen Status des Wolfs von „streng geschützt“ auf „geschützt“ zu senken. Die Entscheidung löste europaweit Protest aus: Umweltorganisationen warnen vor der Rückkehr zur Verfolgung und Vernichtung eines ökologisch bedeutsamen Tieres. Wissenschaftler verweisen darauf, dass in ganz Europa seit über 40 Jahren kein Mensch durch einen Wolf ums Leben kam.

Trotzdem wurden Bedenken über Nutztierrisse und das Sicherheitsgefühl in ländlichen Regionen politisch aufgegriffen. Die Maßnahme wurde unter hohem Zeitdruck und verkürztem Verfahren durchgesetzt. Kritiker sehen darin eine gezielte Einflussnahme, auch mit persönlichen Motiven.

Wölfe als Schlüssel zum Gleichgewicht der Natur

Der Wolf spielt eine zentrale Rolle in funktionierenden Ökosystemen. Als Spitzenprädator reguliert er Wildtierbestände, schützt Wälder vor Übernutzung und reduziert Krankheiten, die von übermäßigem Wildbestand ausgehen. Seine Präsenz stärkt die biologische Vielfalt – ein Hoffnungsträger in Zeiten ökologischer Krisen.

Doch seine Rückkehr zwingt vor allem Hirten und Landwirte zu Anpassungen. Während der tatsächliche Schaden gering bleibt (etwa 0,065 % des EU-weiten Viehbestands pro Jahr), bedeutet jeder Verlust für kleine Betriebe ein potenzieller wirtschaftlicher Einbruch. Es wurden bereits Fälle von Vergeltung bekannt: In verschiedenen Ländern wurden tote Wölfe öffentlich zur Schau gestellt oder illegal vergiftet.

🐶 Leben mit dem Wolf: Erfahrungen aus Italien

In den Abruzzen ist das Zusammenleben mit dem Wolf Alltag. Dort werden Schafe von großen weißen Herdenschutzhunden beschützt, oft auch weiterhin von Hirten begleitet. Nach dem Verlust ihres Hundes entschied sich eine Naturführerin bewusst gegen Rache. Stattdessen lernte sie gemeinsam mit ihrer Gemeinde, Haustiere besser zu schützen – durch Umsicht und Anpassung.

Der sanfte Naturtourismus, der sich rund um Wolf- und Bärenbeobachtungen entwickelt hat, trägt zur wirtschaftlichen Wiederbelebung ländlicher Gegenden bei. In manchen Dörfern, die vom Bevölkerungsschwund betroffen sind, bringt dieser Tourismus neue Perspektiven.

🧬 Wolf „GW950m“: Ein Einzeltier im politischen Fokus

Ein konkreter Fall wurde europaweit bekannt: Ein einzelner Wolf, mit der Kennzeichnung GW950m, wurde nach einem Vorfall in Norddeutschland zur Tötung freigegeben. Genetische Analysen hatten ihn mit einem Nutztierriss in Verbindung gebracht. Doch bei der gezielten Jagd auf dieses Tier wurde irrtümlich seine Partnerin erschossen – die tragende Fähe und Mutter seiner Welpen.

Später untersagte ein Gericht die weitere Jagd auf GW950m. Inzwischen hat sich das Tier mit einer neuen Wölfin gepaart. Sie leben weiterhin in der Region, nun begleitet von zwei im Vorjahr geborenen Jungwölfen. Der Fall wurde zum Symbol für die öffentliche Debatte über das Verhältnis zwischen Wildtiermanagement, Rechtssicherheit und Artenschutz.

🧑‍🌾 Generationenwissen statt Angst

In Gegenden, in denen der Wolf nie ganz verschwunden war, wurde das Wissen um ein friedliches Nebeneinander über Generationen weitergegeben. Vieh wird dort nie unbeaufsichtigt gelassen, und Schutzmaßnahmen sind selbstverständlich. Ein lokaler Landwirt bringt es auf den Punkt: „Der Wolf ist einfach ein Tier wie jedes andere hier. Er ist mal auf meiner Seite des Berges, dann wieder auf der anderen. Warum sollten wir ihn töten?“

Schlagwörter:

Kommentar verfassen