Pressemitteilung
Land Salzburg öffnet Jagd auf den Wolf – ohne Monitoring, ohne Erhaltungszustandsprüfung, entgegen EU-Vorgaben
Mit der Novellierung des Salzburger Jagdgesetzes (Landesgesetzblatt Nr. 73/2025) hat die Salzburger Landesregierung den Wolf (Canis lupus) zur regulären jagdbaren Art erklärt – ohne jede Schonzeit und ohne Rücksicht auf europarechtliche Verpflichtungen. Es handelt sich dabei um einen eklatanten Verstoß gegen die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) der Europäischen Union, wie aus aktuellen Gutachten, Richtlinien und EuGH-Urteilen klar hervorgeht.
Verstoß gegen das Herzstück der FFH-Richtlinie
Der zentrale Punkt: Der günstige Erhaltungszustand des Wolfs wurde in Österreich nie festgestellt. Laut dem aktuellen Gutachten „Feststellung des günstigen Erhaltungszustands des Wolfs in Österreich“ (2024) fehlt es sowohl an einem vollständigen Monitoring als auch an belastbaren Populationsdaten auf regionaler und nationaler Ebene. Selbst laut offiziellen Berichten an die EU-Kommission wird für Österreichs Wolfspopulation (alpine biogeografische Region) seit Jahren ein „ungünstig-schlechter“ Erhaltungszustand angegeben .
Laut den verbindlichen EU-Leitlinien zu Artikel 17 FFH-RL (Final Guidelines 2019–2024) und den jüngsten EuGH-Urteilen (C-674/17, C-601/22, C-629/23) darf ein Mitgliedstaat nur dann Maßnahmen zur Nutzung oder Jagd einer in Anhang V gelisteten Art wie dem Wolf erlassen, wenn:
- ein günstiger Erhaltungszustand nachgewiesen ist – und zwar regional, national und biogeografisch ;
- ein geeignetes Monitoring etabliert wurde ;
- die Maßnahmen nicht gegen das Ziel des Schutzes und der Wiederherstellung des günstigen Zustands verstoßen .
Keiner dieser Punkte ist in Salzburg erfüllt.
Keine Schonzeit ≠ gesetzeskonform
Besonders brisant: Im Salzburger Jagdgesetz wurde für den Wolf keine Schonzeit festgelegt. Künftig könnte durch eine einfache Verordnung oder Ausnahmegenehmigung die Jagd auf den Wolf ermöglicht werden – ohne übergeordnetes Monitoring, ohne Rücksicht auf Population, Genetik oder Migration.
Wissenschaft und Rechtsprechung ignoriert
Die EuGH-Urteile stellen klar:
- Der günstige Erhaltungszustand muss im nationalen Kontext festgestellt werden (C-601/22, Österreich/Tirol);
- Die Heranziehung des biogeografischen Gesamtzustands ersetzt nicht die nationale Verantwortung (C-629/23, Estland);
- Der IUCN-Status ist kein ausreichender Indikator für einen günstigen Erhaltungszustand;
- Die Mitgliedstaaten dürfen keine Maßnahmen setzen, die den ungünstigen Zustand weiter verschlechtern oder stabilisieren .
Mit der aktuellen Gesetzesänderung umgeht das Land Salzburg diese rechtlichen Voraussetzungen vollständig.
Stellungnahme
„Es ist nicht nur fachlich verantwortungslos, sondern rechtswidrig, ein Jagdregime für den Wolf zu etablieren, bevor der günstige Erhaltungszustand objektiv und methodisch korrekt nachgewiesen ist. Die Salzburger Landesregierung gefährdet damit nicht nur die Wiederkehr einer ökologisch bedeutenden Art, sondern riskiert ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof.“
– Stellungnahme aus dem Kreis österreichischer Naturschutzjurist:innen
Forderung an die Landesregierung
Die Landesregierung Salzburg ist aufgefordert, ihre Verordnung umgehend zu überarbeiten und:
- Ein vollständiges, EU-konformes Monitoringprogramm für den Wolf aufzustellen (inkl. Reproduktionsnachweise, Wanderbewegungen, genetische Vielfalt);
- Den günstigen Erhaltungszustand objektiv auf regionaler und nationaler Ebene zu bestimmen – auf Basis der EU-Leitlinien;
- Keine jagdrechtliche Maßnahme umzusetzen, solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind;
- Die FFH-Richtlinie vollständig und nachprüfbar umzusetzen, anstatt sie politisch zu unterlaufen.
Fazit
Die aktuelle Gesetzesänderung in Salzburg ist ein rechtlich nicht tragbarer Schnellschuss, der den Wolf ohne wissenschaftliche Grundlage jagdlich verfügbar machen soll. Nicht die Bejagung des Wolfs ist per se unzulässig – wohl aber der Weg, den Salzburg beschreitet. Wer europäische Naturschutzpolitik ernst nimmt, muss den Wolf mit Sorgfalt und rechtlicher Präzision behandeln – nicht mit populistischen Schnellschüssen.