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Wolf, Wilderei und Rechtsbruch – Wenn die Jagdverwaltungen wegschauen

  • 3 Min. Lesezeit

Die in Osttirol geschilderte Situation – mehrere Abschüsse, Druck aus der Landwirtschaft, Forderungen nach „Schuss auf Sicht“ – zeigt vor allem eines: Das eigentliche Problem liegt nicht im fehlenden Jagdrecht, sondern in der fehlenden Umsetzung von Präventions- und Managementmaßnahmen, die EU-weit vorgeschrieben sind.

Kein günstiger Erhaltungszustand laut EuGH und neueste Gutachten

Nach EU-Recht (FFH-Richtlinie, Art. 14) darf die Nutzung einer in Anhang V gelisteten Art nur erfolgen, wenn sie mit der Erhaltung der Population in einem günstigen Erhaltungszustand vereinbar ist. Österreich befindet sich nach aktueller EuGH-Rechtsprechung jedoch nicht im GEZ. Pauschale Freigaben, wie sie für Tirol angekündigt werden, verstoßen damit gegen geltendes Unionsrecht – selbst dann, wenn sie landesgesetzlich beschlossen werden. Landesrecht darf weder Bundes- noch EU-Vorgaben unterlaufen.

Die Europäische Rechtsprechung verlangt vor jedem Eingriff:

  • Wissenschaftlich belastbares Monitoring
  • der Population Nachweis, dass ein günstiger Erhaltungszustand vorliegt
  • Alternativenprüfung – insbesondere der fachgerechte Herdenschutz
  • Verhältnismäßigkeit – Eingriffe nur als letztes Mittel

Fachgerechter Herdenschutz bedeutet in der Praxis:

  • Elektrifizierte Zäune mit mindestens 105–120 cm Höhe, durchgehend ≥ 4.500 Volt Spannung
  • Ausreichende Erdung, regelmäßige Vegetationskontrolle, tägliche Spannungsmessung
  • Ausgebildete Herdenschutzhunde gemäß ÖZ-Richtlinien, angepasst an Herden- und Geländesituation
  • Nachtpferche oder mobile Zäune in exponierten Lagen.

Landesjägermeister muss gegen Wilderei vorgehen

Illegale Abschüsse – unabhängig davon, ob sie als „Entnahme“ bezeichnet werden – bleiben straf- und verwaltungsrechtlich relevant. Sie können zum Entzug der Jagdberechtigung, zu hohen Geldstrafen und unter Umständen zu strafrechtlicher Verfolgung führen. Das neue EU-Umweltstrafrecht verschärft diese Vorgaben zusätzlich.

Verantwortungsträger wie Landesjägermeister und Bezirksjägermeister sind verpflichtet, die Rechtslage zu kennen und umzusetzen. Öffentlich vermittelte Botschaften, die pauschale Abschüsse rechtfertigen, ohne auf die rechtlichen Grenzen hinzuweisen, setzen nicht nur Jäger einem erheblichen Risiko aus, sondern unterminieren auch das Vertrauen in eine rechtsstaatliche Jagdverwaltung.

Bestürzend ist in diesem Zusammenhang, dass der Landesjägermeister offenbar nichts gegen mutmaßliche Wilderei an geschützten Tieren unternimmt. Diese Untätigkeit stellt nicht nur einen Vertrauensbruch gegenüber der eigenen Institution und der Jägerschaft dar, sondern untergräbt auch den Anspruch, eine rechtsstaatlich organisierte Jagdverwaltung zu sein. Wer auf der einen Seite rechtstreues Verhalten von Jagdausübungsberechtigten erwartet, muss auf der anderen Seite auch konsequent gegen Rechtsverstöße vorgehen – gerade, wenn es um streng geschützte Arten geht.

Lösungen statt Konflikte forcieren

Anstatt neue Konflikte zu schaffen, sollten Bund, Länder und Jägerschaft auf die bereits vorhandenen Fachstrukturen wie das Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs und das EU-Projekt LIFEstockProtect setzen. Diese bieten erprobte Konzepte, Schulungen und Fördermöglichkeiten für Herdenschutz an – die einzige rechtlich tragfähige und langfristige Lösung, um Weidetierhaltung und große Beutegreifer miteinander in Einklang zu bringen.

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