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Beutegreifer und die Tierschutzpflicht auf Österreichs Almen und Heimweiden

  • 3 Min. Lesezeit

Rechtsgutachter Dr. Wolfgang Wessely legt brisantes Gutachten vor

Der anerkannte Wiener Rechtswissenschaftler Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Wessely, LL.M., Lehrbeauftragter am Juridicum der Universität Wien, hat ein ausführliches Rechtsgutachten zur Schutzpflicht bei Bedrohungen durch große Beutegreifer vorgelegt. Damit wird deutlich, dass Tierhalter und Bezirksverwaltungsbehörden bei Wolfs-, Bären-, Luchs- oder Goldschakalrissen nach § 19 TschG in der Verantwortung stehen. Sobald eine konkrete Gefahr vorliegt (nachgewiesen durch Monitoringdaten, Rissgutachten, Sichtungen oder die Erlassung einer Abschussverordnung) sind die Bezirkshauptmannschaften verpflichtet einzuschreiten. Weiters werden die rechtlichen Grundlagen von Verordnungen, basierend auf Alm- und Weideschutzgesetzen infrage gestellt, wenn auf “nicht schützbaren” Almen Herschutzmaßnahmen in der Praxis umgesetzt werden.

Hintergrund: Tierschutz und steigende Risszahlen

In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Risse von ungeschützten Weidetieren durch große Beutegreifer in Westösterreich zugenommen. Hirten und Almgemeinschaften stehen vor Herausforderungen. Bisher ungeklärt blieb, ob auch bei Rissen auf Almen eine behördliche Pflicht zum Handeln besteht. Genau diese Lücke schließt das neue Rechtsgutachten und stellt klar: Ohne Herdenschutz wird es in Zukunft nicht mehr gehen, sowohl zum Schutz der Tiere als auch zur Rechtssicherheit für Hirten und Almbewirtschafter.

Wann müssen die Behörden eingreifen?

Die Verantwortung für den Schutz der Tiere liegt zunächst bei den Tierhaltern. Doch wenn diese ihren Schutzpflichten nicht nachkommen oder nicht nachkommen können, müssen die Bezirksverwaltungsbehörden einschreiten. Entscheidend ist dabei der Begriff der „konkreten Gefahr“: sobald Monitoringdaten, Rissgutachten oder Sichtungen eindeutig belegen, dass in einem Gebiet ein Rudel oder ein einzelner Beutegreifer aktiv ist, liegt eine solche Gefahr vor. Auch Entnahmefreigaben von Wölfen oder anderen Beutegreifern durch die Länder sind laut Gutachten ein starkes Indiz dafür, dass eine konkrete Gefahr vorliegt. Unterlässt die Behörde trotz klarer Gefahrenlagen ihr Einschreiten, kann dies den Tatbestand des Amtsmissbrauchs (§ 302 StGB) erfüllen.

Welche Maßnahmen können angeordnet werden?

Die Bezirkshauptmannschaften verfügen laut Gutachten über eine klare Palette an Handlungsinstrumenten: Vorgaben an die Tierhalter, wie Herdenschutzmaßnahmen (z. B. Nachtpferche, Hirtenbetreuung, Herdenschutzhunde), Teil- oder Vollabtrieb, Verwaltungsstrafen und im Extremfall die Abnahme von sogenannten „Nutztieren“. Prof. Dr. Rudolf Winkelmayer, pensionierter Amtstierarzt dazu: „Das Tierschutzgesetz gilt selbstverständlich auch auf Almen. Der vergangene Almsommer hat durch Übergriffe von Beutegreifern auf ungeschützte Weidetiere enormes Tierleid hervorgerufen. Das ist ein Skandal! Herdenschutz muss endlich finanziert und umgesetzt werden.“

Verhältnis zu den Alm- und Weideschutzgesetzen

Besondere Brisanz entfaltet das Gutachten bei der Frage, wie die Alm- und Weideschutzgesetze (z. B. in Kärnten, Tirol oder Salzburg) zu bewerten sind. Diese Gesetze erklären manche Almen pauschal als „nicht schützbar“. Laut Dr. Wolfgang Wessely ändert dies aber nichts an den tierschutzrechtlichen Pflichten: Tierhalter bleiben verpflichtet, ihre Tiere vor Gefahren zu schützen und auch die Behörden bleiben verpflichtet, im Einzelfall einzuschreiten. Wenn auf offiziell „nicht schützbaren“ Almen Herdenschutzmaßnahmen in der Praxis umgesetzt werden, wie in mehreren Projekten der Fall, ist dies laut Gutachten ein klarer Hinweis, dass die rechtliche Grundlage solcher Verordnungen zweifelhaft ist.

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