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St Valentin/Innsbruck, 20. Oktober 2025 In einem jüngst veröffentlichten Artikel der Tiroler Tageszeitung wurde ein Landespolitiker mit dem Vorschlag zitiert, Almhirten nach Absolvieren der Jagdprüfung und mit Zustimmung der Jagdberechtigten künftig mit Schusswaffen auszustatten, damit sie im Falle der Annäherung von Wölfen schießen können. Diese Idee klingt zunächst handhabbar; bei Prüfung des geltenden Rechtsrahmens zeigt sich jedoch, dass sie an mehreren, kumulativ wirksamen Hürden des österreichischen Rechts scheitert.
Das Waffengesetz 1996 ist Bundesrecht und steht jeder landesrechtlichen Regelung vor. Die Waffenrechtsnovelle 2025 hat die Voraussetzungen für Erwerb, Registrierung, Aufbewahrung, Zuverlässigkeit und insbesondere für das Führen von Waffen weiter verschärft; die rechtliche Entwicklung zielt auf engere Eignungskriterien und intensivere Kontrollen. Besitz und Führen einer Schusswaffe sind zu trennen: Der Besitz einer Jagdlangwaffe der Kategorie C begründet nicht ohne Weiteres das Recht, diese geladen und zugriffsbereit auf der Alm zu führen. Zulässiges Führen ist typischerweise an eine jagdliche Befugnis im betreffenden Revier oder an einen Waffenpass gebunden; beides setzt formale Prüfungen, Nachweise zur Zuverlässigkeit (§ 8 WaffG) und oftmals einen rechtmäßigen Wohnsitz in Österreich voraus (§ 11 WaffG). Damit scheidet für viele saisonal tätige Auslandshirten eine rechtmäßige Bewaffnung bereits aus.
Das Jagdrecht begründet eine zusätzliche Grenze: Jagd ist reviergebunden; der Abschuss von Wild darf im Regelfall nur vom Revierinhaber oder von diesem autorisierten Personen vorgenommen werden. Für streng geschützte Arten wie den Wolf sind darüber hinaus artenschutzrechtliche Schranken zu beachten; ein legaler Abschuss setzt eine behördliche Ausnahmegenehmigung voraus (§ 45 Abs. 7 Tierschutz-/Artenschutzrecht). Eine bloße landespolitische Verlautbarung kann diese gesetzlichen Anforderungen nicht ersetzen. Revierinhaber können Jagdrechte übertragen, sie können damit jedoch keine waffenrechtlichen Genehmigungen substituieren.
Die Geschichte bei dem Vorschlag ist die: Wenn man mit der Büchse die Wölfe wirklich davon abhalten will, dass sie das Vieh reißen, dann müsste der Hirt den ganzen Tag bei der Herde sein. Aber das ist ja genau das, wie eine richtige Behirtung seit Jahrhunderten ausschaut. Also warum nicht gleich Hirten anstellen, die fix bei den Tieren sind – so wie man’s auf den Kollegen auf den Tiroler Projektalmen eh schon macht? Ich kann die Tiere auch ohne Waffe schützen, mit meinen Hunden und einem Nachtpferch. Des is doch bloß wieder Politkerg’schwätz, ohne mit uns Hirtn g’redt z’hobn. (Hirte in Tirol – Name der Redaktion bekannt)
Ein zentraler praktischer Aspekt ist die personelle Struktur der Almwirtschaft: In vielen Regionen stammen Hirten aus dem Ausland (z. B. Südtirol, Schweiz, Rumänien, Deutschland, Frankreich). Für diese Saisonkräfte gelten zusätzliche rechtliche Hürden: ohne rechtmäßigen Wohnsitz in Österreich ist der beantragbare Waffenbesitz nach § 11 WaffG in der Regel ausgeschlossen; Spezialbewilligungen nach § 38 WaffG sind möglich, aber administrativ aufwendig und in der almsaisonalen Praxis kaum umsetzbar. Zusätzlich sind EU-regelungen (z. B. European Firearms Pass, Einfuhr- und Mitführregelungen) zu beachten. Daraus folgt, dass die Zahl der nominal „bewaffnungsfähigen“ Hirten in der Realität sehr klein wäre.
Die Sicherheits- und Haftungsproblematik in touristisch genutzten Almgebieten verschärft die Situation weiter und verhindert jede praktikable Umsetzung der Idee: Viele Almen liegen in Bereichen, die von Wanderern, Mountainbikern, Familien und Erholungssuchenden regelmäßig genutzt werden. Der Einsatz einer Schusswaffe in solchen öffentlich zugänglichen Räumen ist nicht mit einer einfachen Anweisung zu regeln; er erfordert umfangreiche organisatorische und rechtliche Maßnahmen, die in der almsaisonalen Praxis nicht leistbar sind. Konkret wären kurzfristige Sperrungen von Wanderwegen, großflächige und rechtzeitig kommunizierte Sicherheitszonen, personelle Kontrollen, polizeiliche Abstimmungen und dauerhafte Warnsysteme erforderlich, um die Gefährdung Unbeteiligter zu minimieren. Solche Maßnahmen greifen tief in das Betretungs- und Freizeitnutzungsrecht ein, erfordern polizeiliche und verwaltungsrechtliche Anordnungen und sind in vielen Fällen logistisch und politisch nicht tragbar. Darüber hinaus erhöht die Präsenz von bewaffnetem Personal in touristischen Gebieten die Wahrscheinlichkeit von Fehleinschätzungen und Unfällen; die rechtliche Bewertung eines Schusses wird dadurch zusätzlich erschwert, weil die Frage, ob eine konkrete Situation eine rechtfertigende Notwehrlage begründet, unter diesen Rahmenbedingungen schwieriger zu bejahen ist. Praktisch führt das dazu, dass bereits die Vorbereitung eines legalen Einsatzes — etwa die formelle Sperrung eines Wegebereichs bis zur Behördendurchführung eines Abschusses — zeitlich und verwaltungsaufwändig wäre und einen schnellen „praxisnahen“ Einsatz faktisch ausschließt.
Rechtlich und praktisch zusammengenommen entsteht damit eine Kette von Hürden: ein Hirt müsste waffenrechtlich zuverlässig und geeignet sein (§ 8 WaffG), einen rechtmäßigen Wohnsitz oder eine Sondergenehmigung besitzen (§ 11, § 38 WaffG), die Waffe ordnungsgemäß erworben und registriert haben (§§ 21, 33 WaffG) sowie über stabile Aufbewahrungs- und Sicherheitsvorkehrungen verfügen (§ 16 WaffG). Er bräuchte eine gültige Jagdkarte oder einen Waffenpass (§ 21 WaffG), revierrechtliche Befugnisse des Revierinhabers und für den Abschuss eines Wolfes die behördliche Ausnahmegenehmigung nach Artenschutzrecht (§ 45 Abs. 7). Zusätzlich wären umfassende Schulungen, Haftpflichtversicherungen und klare Dokumentations- und Kontrollmechanismen erforderlich.
Selbst bei formaler Erfüllung dieser Voraussetzungen bliebe der Handlungsspielraum eng: der Schuss wäre nur unter klar definierten Bedingungen zulässig; ein vorsorglicher Abschuss bei bloßer Annäherung ist in der Regel nicht durch Notwehrrecht gerechtfertigt. Bei Fehlverhalten drohen strafrechtliche Konsequenzen (z. B. fahrlässige Körperverletzung, fahrlässige Tötung), zivilrechtliche Haftung und der Entzug waffenrechtlicher Befugnisse. Für den individuellen Hirt würde damit ein hohes persönliches Risiko bestehen — sein berufliches und wirtschaftliches Fortkommen wäre bei einem Fehltritt erheblich gefährdet.
Abschließend ist festzuhalten, dass die vorgeschlagene flächendeckende Bewaffnung von Hirten nicht nur an rechtlichen Vorschriften scheitert, sondern in touristisch genutzten Almgebieten praktisch unmöglich ist, ohne die öffentlichen Nutzungsrechte massiv einzuschränken, polizeiliche Ressourcen zu binden und Haftungsrisiken in unvertretbarer Weise auf Einzelpersonen abzuwälzen. Realistische Lösungen zur Reduktion von Rissen und zur Sicherung der Almwirtschaft liegen stattdessen in systematischem, finanziertem Herdenschutz und in klar geregelten, behördlich abgestimmten Maßnahmen — nicht in einer pauschalen Bewaffnung von Almpersonal.
Fazit
Die Forderung nach bewaffneten Hirten klingt politisch griffig, ist aber rechtlich nicht tragfähig. Zwischen Schlagzeile und geltendem Recht liegt eine breite Kluft: Bundeswaffenrecht, Revierbindung, Artenschutzrecht und Sicherheitsauflagen machen eine pauschale Bewaffnung von Hirten praktisch und juristisch unmöglich. Für die betroffenen Personen würde ein Waffeneinsatz zudem ein hohes persönliches Risiko mit potenziell existenzbedrohenden Folgen bedeuten. Das einfachste und günstiges wäre es einfach Hirten anzustellen so wie es bei den Projektalmen eh schon gemacht wird.
Übersicht der Auflagen und Vorraussetzungen für bewaffnete Hirten
Was ein Hirt erfüllen müsste (Auswahl)
- Zuverlässigkeit und Eignung (§ 8 WaffG)
- Rechtmäßiger Wohnsitz / Sondergenehmigung (§ 11, § 38 WaffG)
- Registrierung und sichere Aufbewahrung der Waffe (§§ 16, 33 WaffG)
- Jagdkarte oder Waffenpass (§ 21 WaffG)
- Revierrechte / Autorisierung durch Revierinhaber (Landesjagdrecht)
- Behördliche Ausnahmegenehmigung für Wolf (§ 45 Abs. 7 Tierschutz/Artenschutz)
- Schulung, Versicherung, Dokumentation
Welche Risiken blieben (Auswahl)
- Strafverfahren (Wilderei, fahrlässige Körperverletzung, fahrlässige Tötung)
- Zivilrechtliche Schadenersatzansprüche
- Entzug waffenrechtlicher Befugnisse (§ 8 WaffG)
- Ausschluss von Versicherungsleistungen bei rechtswidrigem Handeln
- Existenzgefährdung durch Verfahren, Reputationsverlust, finanzielle Belastungen
Quellen und Rechtsgrundlagen
Waffengesetz 1996 (BGBl. I Nr. 12/1997 idgF)
- § 8 (Zuverlässigkeit)
- § 11 (Wohnsitz, Aufenthalt, EWR-Staatsangehörige)
- § 16 (Aufbewahrungspflichten)
- § 21 (Waffenpass und Führen von Waffen)
- § 23 (Verlässlichkeit – Entzugstatbestände)
- § 33 (Meldepflichten bei Erwerb)
- § 38 (Ausnahmegenehmigungen für Ausländer)
Waffenrechtsnovelle 2025 – Verschärfung der Regelungen zu Erwerb, Registrierung, Aufbewahrung, Eignung und Führen von Waffen.
Tiroler Jagdgesetz 2004 (LGBl. Nr. 56/2004 idgF)
§ 71 (Rechte und Pflichten des Jagdausübungsberechtigten)
Bundesgesetz über den Schutz wildlebender Tier- und Pflanzenarten
§ 45 Abs. 7 (Ausnahmegenehmigungen für streng geschützte Arten)
Strafgesetzbuch Österreich
- § 80 (Fahrlässige Tötung)
- § 88 (Fahrlässige Körperverletzung)
EU-Feuerwaffenrecht (u. a. Richtlinie (EU) 2021/555 über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen) – Regelungen für den European Firearms Pass und Mitführrechte für ausländische Saisonkräfte.
