Zum Inhalt springen
Home » Presseaussendung

Presseaussendung

  • 4 Min. Lesezeit
  • 1 Kommentar

IUCN bekräftigt Herdenschutz und Monitoring als Voraussetzung für Ausnahmegenehmigungen beim Wolf.“

IIUCN-Kongress setzt internationale Leitplanken

St. Valentin/Dubai, 20. Oktober 2025 – Die IUCN-Members’ Assembly hat mit der Motion 142 „Upholding science-based wildlife conservation in Switzerland“ eine klare Leitlinie bekräftigt: Priorität für nicht-letale Maßnahmen, strenges, transparentes Monitoring und letale Eingriffe nur als ultima ratio im Einklang mit internationalen Verpflichtungen. Die Motion wurde im Rahmen des IUCN World Conservation Congress 2025 in Abu Dhabi behandelt (9.–15. Oktober 2025). Der IUCN-Kongress ist die alle vier Jahre stattfindende weltgrößte Fachversammlung für Naturschutz, in der Wissenschaft, Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft gemeinsame Standards für künftige Naturschutzpolitik festlegen.

IUCN-Entscheidung setzt klare Anforderungen

Mit Motion 142 hat die IUCN festgelegt, welche Grundprinzipien beim Umgang mit großen Beutegreifern gelten müssen. Im Mittelpunkt steht die Forderung nach wissenschaftlich fundierten Entscheidungen:

  • einheitliche und nachvollziehbare Monitoring-Systeme,
  • standardisierte Datengrundlagen für Populationsentwicklung und Schadensbewertung,
  • verbindliche Prüfung und Anwendung nicht-letaler Maßnahmen, insbesondere Herdenschutz,
  • Transparenz und Dokumentation aller Eingriffe,
  • und letale Maßnahmen ausschließlich als ultima ratio, wenn andere Wege nachweislich versagt haben.

Diese Anforderungen gelten nicht nur für die Schweiz, sondern sind für alle IUCN-Mitgliedsstaaten richtungsweisend – und betreffen damit auch Österreich. Die IUCN formuliert damit keine Empfehlung, sondern eine verbindliche fachliche Messlatte, an der sich nationale Maßnahmen künftig messen lassen müssen.


Bedeutung für Österreich: IUCN als Referenzrahmen

Diese Entscheidung reiht sich in eine Serie national und europäisch relevanter Weichenstellungen ein – und betrifft Österreich unmittelbar. Die österreichische Politik beruft sich seit Jahren auf die IUCN, wenn es um Fragen des günstigen Erhaltungszustands (EHZ) geht. Mit der neuen Beschlusslage ist jedoch klar: Die IUCN erwartet standardisiertes Monitoring, überprüfbare nicht-letale Maßnahmen und eng begrenzte Ausnahmen. Genau hier klafft in Österreich bislang eine Lücke zwischen Rhetorik und Umsetzung.

EuGH-Urteile unterstreichen dieselbe Linie

Der rechtliche Rahmen ist eindeutig: Seit dem EuGH-Urteil zum Tiroler Fall (11. Juli 2024, C-601/22) ist das Jagdverbot bestätigt; Ausnahmen dürfen nur bei günstigem Erhaltungszustand und nach strenger Prüfung erteilt werden. Mit dem Estland-Urteil (12. Juni 2025, C-629/23) hat der Gerichtshof festgelegt, dass der EHZ anhand kumulativer Kriterien zu ermitteln ist – die nationale Verantwortung kann nicht durch regionale oder biogeografische Bezüge ersetzt werden. Die Beschlusslage der IUCN liegt voll auf dieser Linie.

Wessely-Gutachten: Schutzpflichten gelten auch auf Almen

Das Rechtsgutachten von dem Landesverwaltungsrichter Wolfgang Wessely (2025) hält fest: Die tierschutzrechtlichen Verpflichtungen gelten auch in alpinen Weidegebieten. Tierhalter:innen und Behörden müssen bei konkreter Gefahr Schutzmaßnahmen ergreifen; eine pauschale Einstufung als „nicht schützbar“ ist rechtlich nicht haltbar. Diese Position deckt sich inhaltlich mit den IUCN-Leitlinien, die Prävention als zwingende Grundlage definieren.

LeKoWolf bestätigt internationale IUCN-Vorgaben

Die BOKU-Studie „LeKoWolf – Lebensraum- und Konfliktpotenzialmodell für den Wolf (Canis lupus) in Österreich“ zeigt, dass Konflikte vor allem dort entstehen, wo Weidetierhaltung auf geeignete Wolfslebensräume trifft. Um diese Konflikte zu reduzieren, fordert die Studie den systematischen Ausbau von Monitoring und Herdenschutzmaßnahmen, insbesondere in ausgewiesenen Hotspot-Gebieten. Damit decken sich ihre Empfehlungen inhaltlich eins zu eins mit den zentralen Forderungen der IUCN-Motion 142: wissenschaftlich basiertes Management, Priorität nicht-letaler Maßnahmen, transparente Datengrundlagen und klar definierte Ausnahmeverfahren.

Politischer Kurs am Scheideweg

Vor diesem Hintergrund wird der bisherige österreichische Fokus auf Abschuss – bis hin zur Überlegung, Almpersonal zu bewaffnen – immer fragwürdiger. Praktisch wie rechtlich ist dieser Vorschlag ein Irrweg: Hirten sind tagsüber bei den Tieren, Schusswaffeneinsätze in touristisch frequentierten Gebieten bergen erhebliche Sicherheits- und Haftungsrisiken. Zudem verlangen sowohl Tierschutz- als auch Naturschutzrecht, dass vor Eingriffen alle zumutbaren Alternativen wie Herdenschutz nachweislich ausgeschöpft werden. Genau das fordern EuGH, IUCN und Wessely.

Zeit für eine klare Entscheidung

Österreich steht damit vor einer Richtungsentscheidung: Weiter auf einseitige Abschussstrategien setzen – oder endlich die Mittel für flächendeckenden Herdenschutz bereitstellen und damit Rechtssicherheit, Landwirtschaft und Biodiversität gleichermaßen stärken.


📚 Quellenverzeichnis:

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden.

×