Sehr geehrte Damen und Herren,
bitte entschuldigen Sie die viele Informationen der letzten Tage – doch zahlreiche Bezirkshauptmannschaften haben sich in den letzten Tagen bei uns gemeldet und um klare Informationen zur landesgesetzlichen Einordnung von Herdenschutzmaßnahmen gebeten. Daher möchten wir Ihnen heute ergänzend zu den zuletzt übermittelten Rissdaten die relevanten Tiroler Landesregelungen erläutern, die das Gutachten Wessely inhaltlich stützen und operativ umsetzen.
Mehrere Bezirkshauptmannschaften stellen sich aktuell die Kernfrage, wann eine konkrete Gefahr für Weidetiere besteht und welche Maßnahmen im Sinne des Tierschutzgesetzes zu setzen sind.
Das Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Wessely (Oktober 2025) hält fest, dass bei nachgewiesener Gefährdungslage sowohl Tierhalter:innen als auch Bezirksverwaltungsbehörden verpflichtet sind, Maßnahmen zum Schutz der Tiere zu setzen.
Diese Rechtsauffassung ist keine neue Interpretation, sondern wird durch bestehende Tiroler Landesregelungen vollständig bestätigt und finanziell unterstützt.
1. Tiroler Wolfsmanagementverordnung 2021 (§ 4b, LGBl. Nr. 110/2021)
„Das Land Tirol hat im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung Schäden an Nutztieren durch große Beutegreifer und zeitweilige Fütterungskosten für Nutztiere bei zum Herdenschutz notwendigen zeitweisen Einstallungen abzugelten.“
Damit ist klargestellt:
- Herdenschutzmaßnahmen (z. B. Einstallung oder Abtrieb) sind rechtlich anerkannt und notwendig,
- ihre Umsetzung ist nicht von wirtschaftlicher Zumutbarkeit abhängig,
- und das Land Tirol übernimmt die Kosten.
Diese Bestimmung bietet den Bezirksverwaltungsbehörden eine klare Rechtsgrundlage, um Herdenschutzmaßnahmen zu empfehlen oder anzuordnen, wenn Tierhalter:innen keine geeigneten Schritte setzen.
2. Entschädigungsrichtlinie Große Beutegreifer (Punkt 4.3, Stand 2024)
„Bei örtlich konzentriertem Auftreten von Nutztierrissen durch große Beutegreifer kann das Land Tirol einen vorzeitigen Almabtrieb […] empfehlen. […] Erfolgt ein entsprechender Almabtrieb mindestens zwei Wochen vor dem ursprünglich geplanten Almabtrieb, können die betroffenen Tierhalter um Förderung der […] Futterkosten ansuchen.“
Diese Bestimmung zeigt, dass ein vorzeitiger Almabtrieb ausdrücklich als rechtlich vorgesehene und geförderte Herdenschutzmaßnahme gilt.
Sie setzt das Tierschutzgesetz operativ um und ermöglicht es, konkrete Gefährdungslagen rechtmäßig, verhältnismäßig und finanziell abgesichert zu bewältigen.
3. Bedeutung für die Bezirkshauptmannschaften
Die Tiroler Regelungen verdeutlichen, dass die im Gutachten Wessely beschriebenen Handlungspflichten bereits gesetzlich verankert sind.
Für die behördliche Praxis bedeutet das:
- Bei nachgewiesener Wolfsgefahr (Risse, Sichtungen, Monitoringdaten) besteht eine Pflicht zum Einschreitenim Sinne des Tierschutzgesetzes.
- Maßnahmen wie zeitweilige Einstallung, vorzeitiger Abtrieb oder andere Herdenschutzmaßnahmen sind rechtlich gedeckt und förderfähig.
- Eine Berufung auf „wirtschaftliche Unzumutbarkeit“ ist nicht zulässig, da das Land Tirol Kostenersatz ausdrücklich vorsieht.
Diese Regelungen geben den Bezirkshauptmannschaften Rechtssicherheit und Handlungsspielraum. Sie sollen Mut machen, im Sinne des Tierschutzgesetzes aktiv, präventiv und verhältnismäßig zu handeln.
4. Schlussfolgerung
Die Tiroler Wolfsmanagementverordnung und die Entschädigungsrichtlinie schaffen eine klare rechtliche und finanzielle Grundlage, damit Bezirksverwaltungsbehörden bei konkreter Gefahr für Weidetiere rechtmäßig tätig werden können.
Damit wird die bundesgesetzliche Pflicht des Tierschutzes auf Landesebene praktisch umsetzbar – im Sinne der Tiere, der Landwirt:innen und der behördlichen Verantwortung.
Quellen
- Tiroler Wolfsmanagementverordnung 2021, LGBl. Nr. 110/2021, § 4b „Entschädigung für Schäden an Nutztieren“ oder https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/LgblAuth/LGBLA_TI_20210820_110/LGBLA_TI_20210820_110.pdf
- Richtlinie über Entschädigungen für Schäden durch große Beutegreifer (Bär, Wolf, Luchs, Goldschakal), Amt der Tiroler Landesregierung, Abt. Land- und Forstwirtschaft, Stand 2025, insbesondere Punkt 4.3
- Gutachten Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Wessely (2025): „Rechtliche Verpflichtungen von Tierhaltern und Behörden bei konkreter Wolfsgefahr im Hinblick auf das Tierschutzgesetz“