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Wölfe in Österreich: BOKU-Studie zeigt, wo Herdenschutz jetzt notwendig ist

  • 4 Min. Lesezeit
Herd Management CH © CH WOLF -00333.JPG

St. Valentin, Oktober 2025 – Eine aktuelle Studie der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) unter der Leitung von Dr. Jennifer Hatlauf und Univ.-Prof. Klaus Hackländer unterstützt von Matthias Amon, Luca Fuchs, Jörg Fabian Knufinke, Florian Kunz und liefert erstmals eine wissenschaftlich validierte Gesamtbewertung des Wolfslebensraums in Österreich sowie eine modellgestützte Risikoanalyse für Nutztierrisse.

Der Endbericht „Lebensraum- und Konfliktpotenzialmodell für den Wolf in Österreich“ wurde im Auftrag und mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Klima und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft sowie der Ämter der Landesregierungen von Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Tirol, Kärnten, Salzburg und Vorarlberg erstellt.

Der Endbericht „Lebensraum- und Konfliktpotenzialmodell für den Wolf in Österreich“ (BOKU 2025) gilt als entscheidende Datengrundlage für ein modernes Wolfsmanagement und als fachliche Rechtfertigung für behördliches Handeln nach dem Tierschutzgesetz (§ 19 TSchG).

Österreich bietet geeigneten Lebensraum – Konflikte konzentrieren sich regional

Die Untersuchung zeigt, dass der Wolf in weiten Teilen Österreichs geeignete Lebensbedingungen vorfindet. Besonders hohe Eignungswerte bestehen in den westlichen und mittleren Alpenregionen – von Vorarlberg über Tirol bis in Teile der Steiermark und Kärnten. Auch das Wald- und Mühlviertel weisen geeignete Rückzugsräume auf (vgl. S. 69–74).

Zugleich verdeutlicht die Studie ein deutliches West-Ost-Gefälle: Während im Osten eine gute Lebensraumeignung, aber geringere Nutztierdichte vorherrscht, treten im Westen – wo Schafe und Rinder auf Almen nahe bewaldeter Flächen gehalten werden – die meisten Konflikte auf. Diese Regionen weisen ein überdurchschnittlich hohes Risspotenzial auf (S. 98–102).

Erstmals objektive Gefahrenprognose für Nutztiere

Mit Hilfe räumlicher Habitat- und Konfliktmodellierung (AUC ≈ 0,88) wurde das Risspotenzial für Schafe, Rinder und Ziegen österreichweit quantifiziert (Kap. 7.1, S. 95 ff.).

Alpine Regionen mit extensiver Weidewirtschaft weisen ein besonders hohes Risspotenzial auf. Stärkster Einflussfaktor ist die Anwesenheit von Schafen, gefolgt von Schafen + Rindern; auch die Nähe zu Wäldern erhöht die Wahrscheinlichkeit für Wolfsrisse.“ (.S. 96)

Als Regionen mit hohem bis sehr hohem Risspotenzial werden insbesondere Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Kärnten und die Steiermark genannt (S. 97 ff.). Damit liegt erstmals eine wissenschaftlich belegte Gefahrenverdichtung vor, die es Bezirkshauptmannschaften und Amtstierärzt:innen ermöglicht, das Risiko für Nutztiere objektiv einzuschätzen und präventive Maßnahmen rechtssicher zu begründen.

BezirkBundeslandKategorie
LandeckTirolSehr hoch
ImstTirolSehr hoch
KufsteinTirolSehr hoch
KitzbühelTirolSehr hoch
LienzTirolSehr hoch
Zell am See (Pinzgau)SalzburgSehr hoch
St. Johann im PongauSalzburgSehr hoch
Spittal an der DrauKärntenSehr hoch
HermagorKärntenSehr hoch
LiezenSteiermarkSehr hoch
BludenzVorarlbergHoch
Innsbruck-LandTirolHoch
SchwazTirolHoch
ReutteTirolHoch
Hallein (Tennengau)SalzburgHoch
Villach-LandKärntenHoch
MurauSteiermarkHoch
MurtalSteiermarkHoch
Bruck-MürzzuschlagSteiermarkHoch
GmundenOberösterreichHoch
Kirchdorf an der KremsOberösterreichHoch
Steyr-LandOberösterreichHoch
ScheibbsNiederösterreichHoch
LilienfeldNiederösterreichHoch
BregenzVorarlbergMittel
DornbirnVorarlbergMittel
FeldkirchVorarlbergMittel
Tamsweg (Lungau)SalzburgMittel
Salzburg-Umgebung (Flachgau)SalzburgMittel
Villach (Stadt)KärntenMittel
Klagenfurt-LandKärntenMittel
FeldkirchenKärntenMittel
St. Veit an der GlanKärntenMittel
WolfsbergKärntenMittel
VölkermarktKärntenMittel
LeobenSteiermarkMittel
VoitsbergSteiermarkMittel
DeutschlandsbergSteiermarkMittel
WeizSteiermarkMittel
Graz-UmgebungSteiermarkMittel
VölklabruckOberösterreichMittel
Urfahr-UmgebungOberösterreichMittel
FreistadtOberösterreichMittel
RohrbachOberösterreichMittel
PergOberösterreichMittel
AmstettenNiederösterreichMittel
MelkNiederösterreichMittel
Waidhofen an der Ybbs (Stadt)NiederösterreichMittel
St. Pölten-LandNiederösterreichMittel
Krems-LandNiederösterreichMittel
Wiener Neustadt-LandNiederösterreichMittel
NeunkirchenNiederösterreichMittel
GmündNiederösterreichMittel
ZwettlNiederösterreichMittel
Waidhofen an der ThayaNiederösterreichMittel
HornNiederösterreichMittel
JennersdorfBurgenlandMittel
GüssingBurgenlandMittel
OberwartBurgenlandMittel
Innsbruck (Stadt)TirolNiedrig
Salzburg (Stadt)SalzburgNiedrig
Klagenfurt (Stadt)KärntenNiedrig
Graz (Stadt)SteiermarkNiedrig
LeibnitzSteiermarkNiedrig
Hartberg-FürstenfeldSteiermarkNiedrig
SüdoststeiermarkSteiermarkNiedrig
Linz-LandOberösterreichNiedrig
Wels-LandOberösterreichNiedrig
Steyr (Stadt)OberösterreichNiedrig
Braunau am InnOberösterreichNiedrig
Ried im InnkreisOberösterreichNiedrig
Sch√§rdingOberösterreichNiedrig
GrieskirchenOberösterreichNiedrig
EferdingOberösterreichNiedrig
St. Pölten (Stadt)NiederösterreichNiedrig
Krems an der Donau (Stadt)NiederösterreichNiedrig
TullnNiederösterreichNiedrig
KorneuburgNiederösterreichNiedrig
HollabrunnNiederösterreichNiedrig
G√§nserndorfNiederösterreichNiedrig
MistelbachNiederösterreichNiedrig
Bruck an der LeithaNiederösterreichNiedrig
MödlingNiederösterreichNiedrig
BadenNiederösterreichNiedrig
Wiener Neustadt (Stadt)NiederösterreichNiedrig
OberpullendorfBurgenlandNiedrig
MattersburgBurgenlandNiedrig
Neusiedl am SeeBurgenlandNiedrig
Eisenstadt-UmgebungBurgenlandNiedrig
Wien (Stadt)WienNiedrig
Linz (Stadt)OberösterreichSehr niedrig
Wels (Stadt)OberösterreichSehr niedrig
Eisenstadt (Stadt)BurgenlandSehr niedrig
Rust (Stadt)BurgenlandSehr niedrig

Herdenschutz senkt Konfliktpotenzial nachweislich

In Kapitel 7.2 (S. 105–107) analysiert die Studie den Einfluss unterschiedlicher Herdenschutz-Szenarien. Dabei wurde der Effekt von minimaler und maximaler Herdenschutzförderung auf das Konfliktpotenzial verglichen – mit eindeutigem Ergebnis:

Je stärker Herdenschutz gefördert und umgesetzt wird, desto geringer ist das Konfliktpotenzial. Regionen mit fehlender Prävention bleiben stabile Konfliktzonen.“ (S. 107)

Damit liegt erstmals ein quantitativer Nachweis vor, dass Herdenschutzmaßnahmen – etwa durch Zäune, Nachtpferche oder Herdenschutzhunde – das Konfliktrisiko signifikant verringern. Für die Verwaltungspraxis bedeutet dies: Herdenschutz ist dort, wo eine Gefahrenverdichtung vorliegt, nicht nur sinnvoll, sondern rechtlich geboten, um die Anforderungen des § 19 TSchG zu erfüllen.

Hotspots als Prioritätsräume für Herdenschutz

Die Karten 100 ff. (S. 105–110) des Berichts stellen jene Regionen dar, in denen hohes Lebensraumpotenzial und hohe Konfliktwahrscheinlichkeit zusammentreffen – die sogenannten „dunkelblauen Hotspot-Zonen“. Diese liegen insbesondere in den Bezirken Bludenz, Landeck, Imst, Kufstein, Kitzbühel, Lienz, Spittal/Drau, Hermagor, Liezen und Murau.

In diesen Gebieten sollten Herdenschutzmaßnahmen prioritär umgesetzt werden – sowohl im Sinne des Tierschutzes als auch der gesetzlichen Fürsorgepflicht. Die Studie schließt damit die Lücke zwischen wissenschaftlicher Prognose und rechtlicher Verantwortung: Wo eine Gefahrenverdichtung nachweislich besteht, besteht auch eine Pflicht zu präventivem Handeln.

Das Kombinationsmodell für den Sommer beschreibt die Verschneidung des Lebensraumpotenzialmodells und des Konfliktpotenzialmodells im Sommerhalbjahr in Österreich in 25 Klassen mit analoger Farbgebung. Weiße Flächen weisen ein geringes Lebensraum- und Konflikt-, violette Flächen ein hohes Konflikt- aber niedriges Lebensraum-, grüne Flächen ein hohes Lebensraum- aber geringes Konflikt- und dunkelblaue Flächen ein hohes Lebensraumpotenzial und Konfliktpotenzial auf. Dies sind keine absoluten Werte, sondern geltenimmer innerhalb der Karte in Relation zueinander.

Fazit

Die BOKU-Studie 2025 bietet die bisher präziseste Datengrundlage für Wolfsmanagement und Herdenschutz in Österreich. Sie ersetzt Unsicherheiten durch transparente Evidenz, schafft eine einheitliche Beurteilungsbasis für alle Bundesländer und stärkt die Rechtssicherheit im Vollzug des Tierschutzgesetzes.

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