
St. Valentin, Oktober 2025 – Eine aktuelle Studie der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) unter der Leitung von Dr. Jennifer Hatlauf und Univ.-Prof. Klaus Hackländer unterstützt von Matthias Amon, Luca Fuchs, Jörg Fabian Knufinke, Florian Kunz und liefert erstmals eine wissenschaftlich validierte Gesamtbewertung des Wolfslebensraums in Österreich sowie eine modellgestützte Risikoanalyse für Nutztierrisse.
Der Endbericht „Lebensraum- und Konfliktpotenzialmodell für den Wolf in Österreich“ wurde im Auftrag und mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Klima und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft sowie der Ämter der Landesregierungen von Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Tirol, Kärnten, Salzburg und Vorarlberg erstellt.
Der Endbericht „Lebensraum- und Konfliktpotenzialmodell für den Wolf in Österreich“ (BOKU 2025) gilt als entscheidende Datengrundlage für ein modernes Wolfsmanagement und als fachliche Rechtfertigung für behördliches Handeln nach dem Tierschutzgesetz (§ 19 TSchG).
Österreich bietet geeigneten Lebensraum – Konflikte konzentrieren sich regional
Die Untersuchung zeigt, dass der Wolf in weiten Teilen Österreichs geeignete Lebensbedingungen vorfindet. Besonders hohe Eignungswerte bestehen in den westlichen und mittleren Alpenregionen – von Vorarlberg über Tirol bis in Teile der Steiermark und Kärnten. Auch das Wald- und Mühlviertel weisen geeignete Rückzugsräume auf (vgl. S. 69–74).
Zugleich verdeutlicht die Studie ein deutliches West-Ost-Gefälle: Während im Osten eine gute Lebensraumeignung, aber geringere Nutztierdichte vorherrscht, treten im Westen – wo Schafe und Rinder auf Almen nahe bewaldeter Flächen gehalten werden – die meisten Konflikte auf. Diese Regionen weisen ein überdurchschnittlich hohes Risspotenzial auf (S. 98–102).
Erstmals objektive Gefahrenprognose für Nutztiere
Mit Hilfe räumlicher Habitat- und Konfliktmodellierung (AUC ≈ 0,88) wurde das Risspotenzial für Schafe, Rinder und Ziegen österreichweit quantifiziert (Kap. 7.1, S. 95 ff.).
„Alpine Regionen mit extensiver Weidewirtschaft weisen ein besonders hohes Risspotenzial auf. Stärkster Einflussfaktor ist die Anwesenheit von Schafen, gefolgt von Schafen + Rindern; auch die Nähe zu Wäldern erhöht die Wahrscheinlichkeit für Wolfsrisse.“ (.S. 96)
Als Regionen mit hohem bis sehr hohem Risspotenzial werden insbesondere Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Kärnten und die Steiermark genannt (S. 97 ff.). Damit liegt erstmals eine wissenschaftlich belegte Gefahrenverdichtung vor, die es Bezirkshauptmannschaften und Amtstierärzt:innen ermöglicht, das Risiko für Nutztiere objektiv einzuschätzen und präventive Maßnahmen rechtssicher zu begründen.
| Bezirk | Bundesland | Kategorie |
|---|---|---|
| Landeck | Tirol | Sehr hoch |
| Imst | Tirol | Sehr hoch |
| Kufstein | Tirol | Sehr hoch |
| Kitzbühel | Tirol | Sehr hoch |
| Lienz | Tirol | Sehr hoch |
| Zell am See (Pinzgau) | Salzburg | Sehr hoch |
| St. Johann im Pongau | Salzburg | Sehr hoch |
| Spittal an der Drau | Kärnten | Sehr hoch |
| Hermagor | Kärnten | Sehr hoch |
| Liezen | Steiermark | Sehr hoch |
| Bludenz | Vorarlberg | Hoch |
| Innsbruck-Land | Tirol | Hoch |
| Schwaz | Tirol | Hoch |
| Reutte | Tirol | Hoch |
| Hallein (Tennengau) | Salzburg | Hoch |
| Villach-Land | Kärnten | Hoch |
| Murau | Steiermark | Hoch |
| Murtal | Steiermark | Hoch |
| Bruck-Mürzzuschlag | Steiermark | Hoch |
| Gmunden | Oberösterreich | Hoch |
| Kirchdorf an der Krems | Oberösterreich | Hoch |
| Steyr-Land | Oberösterreich | Hoch |
| Scheibbs | Niederösterreich | Hoch |
| Lilienfeld | Niederösterreich | Hoch |
| Bregenz | Vorarlberg | Mittel |
| Dornbirn | Vorarlberg | Mittel |
| Feldkirch | Vorarlberg | Mittel |
| Tamsweg (Lungau) | Salzburg | Mittel |
| Salzburg-Umgebung (Flachgau) | Salzburg | Mittel |
| Villach (Stadt) | Kärnten | Mittel |
| Klagenfurt-Land | Kärnten | Mittel |
| Feldkirchen | Kärnten | Mittel |
| St. Veit an der Glan | Kärnten | Mittel |
| Wolfsberg | Kärnten | Mittel |
| Völkermarkt | Kärnten | Mittel |
| Leoben | Steiermark | Mittel |
| Voitsberg | Steiermark | Mittel |
| Deutschlandsberg | Steiermark | Mittel |
| Weiz | Steiermark | Mittel |
| Graz-Umgebung | Steiermark | Mittel |
| Völklabruck | Oberösterreich | Mittel |
| Urfahr-Umgebung | Oberösterreich | Mittel |
| Freistadt | Oberösterreich | Mittel |
| Rohrbach | Oberösterreich | Mittel |
| Perg | Oberösterreich | Mittel |
| Amstetten | Niederösterreich | Mittel |
| Melk | Niederösterreich | Mittel |
| Waidhofen an der Ybbs (Stadt) | Niederösterreich | Mittel |
| St. Pölten-Land | Niederösterreich | Mittel |
| Krems-Land | Niederösterreich | Mittel |
| Wiener Neustadt-Land | Niederösterreich | Mittel |
| Neunkirchen | Niederösterreich | Mittel |
| Gmünd | Niederösterreich | Mittel |
| Zwettl | Niederösterreich | Mittel |
| Waidhofen an der Thaya | Niederösterreich | Mittel |
| Horn | Niederösterreich | Mittel |
| Jennersdorf | Burgenland | Mittel |
| Güssing | Burgenland | Mittel |
| Oberwart | Burgenland | Mittel |
| Innsbruck (Stadt) | Tirol | Niedrig |
| Salzburg (Stadt) | Salzburg | Niedrig |
| Klagenfurt (Stadt) | Kärnten | Niedrig |
| Graz (Stadt) | Steiermark | Niedrig |
| Leibnitz | Steiermark | Niedrig |
| Hartberg-Fürstenfeld | Steiermark | Niedrig |
| Südoststeiermark | Steiermark | Niedrig |
| Linz-Land | Oberösterreich | Niedrig |
| Wels-Land | Oberösterreich | Niedrig |
| Steyr (Stadt) | Oberösterreich | Niedrig |
| Braunau am Inn | Oberösterreich | Niedrig |
| Ried im Innkreis | Oberösterreich | Niedrig |
| Sch√§rding | Oberösterreich | Niedrig |
| Grieskirchen | Oberösterreich | Niedrig |
| Eferding | Oberösterreich | Niedrig |
| St. Pölten (Stadt) | Niederösterreich | Niedrig |
| Krems an der Donau (Stadt) | Niederösterreich | Niedrig |
| Tulln | Niederösterreich | Niedrig |
| Korneuburg | Niederösterreich | Niedrig |
| Hollabrunn | Niederösterreich | Niedrig |
| G√§nserndorf | Niederösterreich | Niedrig |
| Mistelbach | Niederösterreich | Niedrig |
| Bruck an der Leitha | Niederösterreich | Niedrig |
| Mödling | Niederösterreich | Niedrig |
| Baden | Niederösterreich | Niedrig |
| Wiener Neustadt (Stadt) | Niederösterreich | Niedrig |
| Oberpullendorf | Burgenland | Niedrig |
| Mattersburg | Burgenland | Niedrig |
| Neusiedl am See | Burgenland | Niedrig |
| Eisenstadt-Umgebung | Burgenland | Niedrig |
| Wien (Stadt) | Wien | Niedrig |
| Linz (Stadt) | Oberösterreich | Sehr niedrig |
| Wels (Stadt) | Oberösterreich | Sehr niedrig |
| Eisenstadt (Stadt) | Burgenland | Sehr niedrig |
| Rust (Stadt) | Burgenland | Sehr niedrig |
Herdenschutz senkt Konfliktpotenzial nachweislich
In Kapitel 7.2 (S. 105–107) analysiert die Studie den Einfluss unterschiedlicher Herdenschutz-Szenarien. Dabei wurde der Effekt von minimaler und maximaler Herdenschutzförderung auf das Konfliktpotenzial verglichen – mit eindeutigem Ergebnis:
„Je stärker Herdenschutz gefördert und umgesetzt wird, desto geringer ist das Konfliktpotenzial. Regionen mit fehlender Prävention bleiben stabile Konfliktzonen.“ (S. 107)
Damit liegt erstmals ein quantitativer Nachweis vor, dass Herdenschutzmaßnahmen – etwa durch Zäune, Nachtpferche oder Herdenschutzhunde – das Konfliktrisiko signifikant verringern. Für die Verwaltungspraxis bedeutet dies: Herdenschutz ist dort, wo eine Gefahrenverdichtung vorliegt, nicht nur sinnvoll, sondern rechtlich geboten, um die Anforderungen des § 19 TSchG zu erfüllen.
Hotspots als Prioritätsräume für Herdenschutz
Die Karten 100 ff. (S. 105–110) des Berichts stellen jene Regionen dar, in denen hohes Lebensraumpotenzial und hohe Konfliktwahrscheinlichkeit zusammentreffen – die sogenannten „dunkelblauen Hotspot-Zonen“. Diese liegen insbesondere in den Bezirken Bludenz, Landeck, Imst, Kufstein, Kitzbühel, Lienz, Spittal/Drau, Hermagor, Liezen und Murau.
In diesen Gebieten sollten Herdenschutzmaßnahmen prioritär umgesetzt werden – sowohl im Sinne des Tierschutzes als auch der gesetzlichen Fürsorgepflicht. Die Studie schließt damit die Lücke zwischen wissenschaftlicher Prognose und rechtlicher Verantwortung: Wo eine Gefahrenverdichtung nachweislich besteht, besteht auch eine Pflicht zu präventivem Handeln.

Fazit
Die BOKU-Studie 2025 bietet die bisher präziseste Datengrundlage für Wolfsmanagement und Herdenschutz in Österreich. Sie ersetzt Unsicherheiten durch transparente Evidenz, schafft eine einheitliche Beurteilungsbasis für alle Bundesländer und stärkt die Rechtssicherheit im Vollzug des Tierschutzgesetzes.
