Mit dem Beschluss vom 17. Dezember 2025, den Wolf in das Bundesjagdgesetz aufzunehmen, vollzieht die Bundesregierung eine umstrittene Ausrichtung der Wolfspolitik. Noch ist der Gesetzentwurf nicht in Kraft: Damit die Regelung Gesetz wird, muss sie sowohl den Bundestag als auch den Bundesrat passieren. Der politische Schritt wird als Antwort auf Konflikte mit der Weidetierhaltung dargestellt. Ein Blick auf die fachlichen und rechtlichen Grundlagen zeigt jedoch: Die Entscheidung steht im Widerspruch zur Wissenschaftlichkeit und den eigenen Erkenntnissen des Bundes.
In der Regierungspressekonferenz konnten die Vertreter der Bundesregierung die Fragen der Journalisten bezüglich der Aufnahme des Wolfs ins Jagdgesetz nicht beantworten
Die Bundesregierung kennt die Fakten- reguläre Bejagung nicht mit EU Recht vereinbar
Besonders brisant ist: Die Bundesregierung verfügt seit Jahren über eine außergewöhnlich gute Datengrundlage zum Wolf. Aus einer Anfragebeantwortung vom 17.10.25 an den deutschen Bundestag geht hervor, dass der Wolf eines der am besten überwachten Wildtiere Deutschlands ist. Weiters erfolge das Monitoring wissenschaftlich fundiert, flächendeckend und transparent über die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW). Über den einst verschollenen BfN Bericht und wie der frühere NABU-Präsident, langjährige Präsident des Umweltbundesamtes und Staatssekretär beim Wolf die Wissenschaft beiseite schob, haben wir bereits berichtet. Letztlich unterstreicht die Anfragebeantwortung dass kein Erkenntnisdefizit bestehe, welche eine grundlegende Neubewertung des Erhaltungszustandes des Wolfes rechtfertigen würde. Entgegen dem wissenschaftlichen Befund hat Deutschland der EU den “günstigen Erhaltungszustand” (EHZ) für Wölfe in der kontinentalen Region im Oktober 25 nachgemeldet, um den Weg für eine Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht zu ebnen. Zugleich verweist die Bundesregierung selbst auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs, wonach eine reguläre Bejagung zur Bestandsreduktion nicht mit EU-Recht vereinbar ist, solange der günstige Erhaltungszustand nicht eindeutig festgestellt ist.
Betroffene nicht glücklich
Brandenburg hat die höchste Wolfsdichte und die meiste praktische Erfahrung im Umgang mit dem Wolf. Betroffene sind mit der politischen Entwicklung unzufrieden. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz machten Weidetierhalter und Naturschutzvertreter deutlich, dass eine pauschale Quotenjagd am Problem vorbeigeht. Eine Abschussquote sei kein Herdenschutz, sagte der Vorsitzende des Schafzuchtverbandes Berlin-Brandenburg, Jonas Scholz. Einigkeit besteht vielmehr darin, dass wirksamer Herdenschutz gestärkt werden und Entnahmen, im Fall der Überwindung von Herdenschutzmaßnahmen, ermöglicht werden sollen. Diese Position steht im klaren Gegensatz zu Forderungen aus der Jägerschaft nach generellen Abschusszahlen und spiegelt die Realität in Brandenburg wider, wo Konflikte differenzierte Lösungen statt einfacher Parolen erfordern. Denn:
- Die meisten Nutztierrisse betreffen un- oder unzureichend geschützte Herden.
- Die Zahl der Übergriffe ist zuletzt nicht gestiegen, teils sogar rückläufig.
- Eine reguläre Bejagung ist nicht als wirksames Mittel zur Reduktion von Rissen belegt.
- Die Forderung nach Regulierung oder Bejagung von Beutegreifern ist wissenschaftlich widerlegt.
- Zahlreiche Studien zeigen, dass Abschüsse soziale Strukturen destabilisieren, Zuwanderung und höhere Reproduktionsraten fördern und Konflikte eher verschärfen als lösen.
Legalisierung erhöht auch das Risiko illegaler Tötungen
Ein weiterer Aspekt bleibt in der politischen Debatte weitgehend unbeachtet: illegale Bejagung. Schon heute werden Wölfe getötet oder verschwinden, ohne dass legale Entnahmen vorliegen. Eine Aufnahme ins Jagdrecht birgt die Gefahr, dass rechtliche Grauzonen entstehen und illegale Tötungen leichter verschleiert oder gesellschaftlich legitimiert werden – ein Risiko, das aus anderen Ländern gut bekannt und wissenschaftlich dokumentiert ist.
Quellen:
Gemeinsames Positionspapier 23. Juni 2025: Keine Wolfsabschussquote – Für einen
rechtssicheren Umgang mit dem Wolf und einen effektiven Schutz von Weidetieren in Brandenburg
Liberg, O., Chapron, G., Wabakken, P., Pedersen, H. C., Hobbs, N. T., & Sand, H. (2012). Shoot, shovel and shut up: Cryptic poaching slows restoration of a large carnivore in Europe. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 279(1730), 910-915.
Sjölander-Lindqvist, A., Johansson, M., & Sandström, C. (2015). Individual and collective responses to large carnivore management: The roles of trust, representation, knowledge spheres, communication and leadership. Wildlife Biology, 21(3), 175-185.
Treves, A., Naughton-Treves, L., & Shelley, V. (2013). Longitudinal analysis of attitudes toward wolves. Conservation Biology, 27(2), 315-323.
