In Österreich ist bislang kein Wolf-Hund-Hybrid genetisch bestätigt, in Deutschland gilt Hybridisierung nach heutigem Stand als Randthema. In allen drei deutschsprachigen Alpenländern wird derzeit lautstark über neue Jagdgesetze diskutiert, die Quotenjagd oder stark erleichterte „Regulierungen“ des Wolfsbestands vorsehen. Die Rudelzerstörung ist oftmals sogar eines der erklärten Ziele. Als Argument dienen häufig „Sicherheitsbedenken“, Herdenschutz und die Sorge, Wölfe könnten sich vermehrt mit Hunden kreuzen. Genau hier setzt eine neue Studie aus Italien an – und dreht die Logik um: Nicht mangelnde Jagd, sondern anhaltende menschliche Bejagung und Managementversagen haben dort zu einer Situation geführt, in der Hybridisierung zu einem ernsthaften, messbaren “Phänomen” geworden ist. Trotzdem: Wölfe tragen seit Jahrtausenden immer wieder Gene von Hunden in sich, weil es in der Geschichte regelmäßig zu natürlicher Vermischung zwischen beiden Arten gekommen ist, ohne deren grundlegendes Verhalten oder ihre ökologische Rolle zu verändern. Solche genetischen Spuren sind ein normaler Bestandteil der Evolutionsgeschichte beider Arten.
Studie aus Italien
Das Team um Rita Lorenzini und Paolo Ciucci hat in den vergangenen Jahren hunderte Wolfsproben aus ganz Italien genetisch analysiert. Die Forschenden zeigen, dass ein großer Teil der untersuchten Tiere bereits Hundegene in sich trägt und dass es sich dabei nicht um Einzelfälle, sondern um weit verbreitete introgressive Hybridisierung handelt. Aus Sicht der Autoren ist das Ergebnis kein „natürliches Experiment“, sondern die Folge von Rahmenbedingungen, die auch in anderen europäischen Ländern jederzeit reproduzierbar wären, wenn man sie zulässt.
Drei Einflussfaktoren
Lorenzini und Kolleg:innen benennen sehr klar, welche Faktoren in Italien zusammengekommen sind:
1. Viele frei laufende Hunde. In zahlreichen Regionen gibt es große Bestände streunender Hunde oder Hunde die auf Betrieben frei laufend gehalten werden. Sie bewegen sich in denselben Gebieten wie Wölfe, häufig ohne Aufsicht. Die Autoren verweisen darauf, dass diese hohe Dichte frei laufender Hunde ein zentraler Treiber für Wolf-Hund-Kontakte ist.
2. Anthropogene Futterquellen. Offene Müllplätze, Kadaver, Luderplätze (wir berichteten bereits darüber), Schlachtabfälle und andere „Nahrungs-Subventionen“ des Menschen locken sowohl Wölfe als auch Hunde an.
3. Hohe Mortalität verursacht durch den Menschen. Trotz strengen Schutzstatuses verzeichnen italienische Wölfe seit Jahren eine erhebliche durch Menschen verursachte Sterblichkeit – durch Bejagung, Fallen und Vergiftung. Analysen der Studienautoren und früherer Arbeiten zeigen, dass diese Mortalität ausreicht, um Rudelstrukturen regelmäßig zu zerstören. Wenn Leitwölfe verschwinden und Familienverbände auseinanderbrechen, bleiben Einzeltiere oder instabile Kleingruppen zurück. Genau diese Situation begünstigt Paarungen zwischen Wolf und Hund, insbesondere zwischen „sozial freien“ Wolfsweibchen und Rüden.
Die Forschenden formulieren klar: Eine hohe, anhaltende, menschlich verursachte Mortalität erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Rudel auseinanderbrechen – und damit die Chance auf Hybridisierung.
Die Rolle der Quotenjagd
Die Autor:innen der Studie warnen aber explizit davor, in einer solchen Lage zusätzlich „Quotenjagden“ zu betreiben. Die gezielte oder pauschale „Entnahme“ von Wölfen könne die genetische Situation weiter verschlechtern und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich Wolf-Hund-Hybridisierung räumlich ausbreitet. Hinzu kommt: Eine selektive Entnahme „verdächtiger“ Tiere aus der Distanz ist praktisch nicht möglich, weil äußerliche Merkmale wie Fellfarbe keine zuverlässigen Hinweise auf Hundegene liefern.
Die italienische Erfahrung legt nahe, dass Politik und Verwaltung drei Dinge tun müssen, wenn sie Kreuzungen zwischen Wolf und Hund niedrig halten wollen:
- erstens die Rolle frei laufender Hunde und menschlicher Futterquellen ernst nehmen und regulieren,
- zweitens illegale Tötungen konsequent verfolgen, statt sie stillschweigend in Kauf zu nehmen,
- drittens jede Quotenjagd verhindern.
Quellen
- Lorenzini, R. et al. (2025): Genetic evidence reveals extensive wolf-dog hybridisation in peninsular Italy: warnings against ineffective management. Biological Conservation 313, 111615.
- Dufresnes, C. et al. (2019): Two decades of non-invasive genetic monitoring of the grey wolves recolonizing the Alps support very limited dog introgression. Scientific Reports 9, 148.
