Was erlaubt das Gesetz – und warum ist es nicht EU-konform?
Der neue § 54 Abs. 3 erlaubt es, für den Wolf keine Schonzeit mehr festzulegen, sondern eine Jagdzeit durch einfache Verordnung einzuführen. Damit wäre eine Wolfsjagd jederzeit möglich – ohne Monitoring, ohne Einzelfallprüfung, ohne EU-konforme Begründung.
Das verstößt nicht nur gegen die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL), sondern auch gegen mehrere bindende Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und gegen die Aarhus-Konvention, die das Recht auf Einspruch und Beteiligung garantiert.
Was verlangt EU-Recht konkret?
1. Monitoring – also systematische Populationsüberwachung:
- Anzahl, Verbreitung, genetische Herkunft, Wanderbewegungen
- Reproduktion: Nur Rudel mit Welpen über mehrere Jahre zählen
- Abstimmung mit Nachbarländern (grenzüberschreitend, biogeografisch)
- Methodisch nachvollziehbar, wiederholbar, transparent
2. Bewertung des „günstigen Erhaltungszustands“ (EHZ):
- Muss für jede Art regelmäßig festgestellt werden
- Drei Ebenen: Regional (z. B. Salzburg), national (Österreich, getrennt nach Alpen und kontinentalem Raum), biogeografisch (z. B. gesamte Alpen)
- Laut Gutachten braucht es in Österreich 30–100 reproduzierende Rudel über mehrere Jahre – aktuell weit verfehlt
3. Einzelfallprüfung vor jedem Abschuss:
- Gab es ausreichenden Herdenschutz?
- Ist ein konkreter Wolf nachweislich schadensverursachend?
- Ist der Eingriff populationsverträglich und das mildeste Mittel?
4. Transparente Bescheide statt politischer Verordnungen:
- Nur individuelle Bescheide mit Begründung können rechtlich halten
- Beteiligung der Öffentlichkeit und Einspruchsmöglichkeiten sind Pflicht
Was der EuGH klar festgestellt hat
- C-674/17 (Finnland/Tapiola): Schutzvorschriften gelten auch bei Anhang V – Nutzung nur bei EHZ, milderes Mittel, strenge Begründung
- C-601/22 (Österreich/Tirol): Erhaltungszustand muss regional, national und biogeografisch positiv sein – alle drei Ebenen müssen erfüllt sein
- C-629/23 (Estland): Nationale Verantwortung kann nicht durch Verweis auf EU-weite oder IUCN-Einstufung ersetzt werden – Monitoring ist zentral
Diese Urteile gelten unmittelbar – ein nationales Gesetz, das dem widerspricht, ist nicht anwendbar.
Quellen und Links
- EuGH C-674/17 (Tapiola, Finnland):
https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=218463&doclang=DE
- EuGH C-601/22 (Österreich/Tirol):
https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=286139&doclang=DE
https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=296384&doclang=DE
- FFH-Richtlinie (92/43/EWG):
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A31992L0043
https://unece.org/DAM/env/pp/documents/cep43g.pdf
- EU-Monitoringberichte Österreich (Art. 17):
https://nature-art17.eionet.europa.eu/article17/reports2025/country/at |